Immer wieder melden sich kleine Läden bei uns, die vor dem Aus stehen, weil
ihnen gekündigt wurde oder die nächste Mieterhöhung viel zu hoch ist.
In manchen Ecken im Bezirk werden schon über 40 Euro pro Quadratmeter verlangt. Wenn die Gewerbemieten aber immer weiter steigen, dann bleiben am Ende die übrig, die am meisten zahlen können – und das sind die immer gleichen Ketten und gesichtslosen Großkonzerne. Das ist aber nicht die Stadt, in der wir leben wollen.
Gerade beim Thema Gewerbemieten ist die Schieflage besonders deutlich. Anders als beim Mietrecht für Wohnungen gibt es hier quasi keine Regulierung. Wenn ein Vermieter sich überlegt, den Vertrag nicht mehr zu verlängern oder die Miete zu verdoppeln, kann er das tun – das muss sich ändern und die Lösungen dafür haben wir Grüne auch längst auf den Tisch gelegt. Klar, dafür brauchen wir auch die Bundesebene. Der Berliner Mietendeckel hat aber deutlich gezeigt, dass es sich lohnt, auch auf Landesebene neue Wege zu gehen. Wir müssen deshalb ausloten, wie eine Deckelung der Gewerbemieten durch das Land möglich ist.
Durch Corona gerät das Kiezgewerbe noch mehr in Bedrängnis als vorher schon. Wir brauchen deshalb echte Mieterlässe statt Stundungen mit Zinsen. Und wir brauchen die Unterstützung durch die Landesebene mit passenden Förderprogrammen – und zwar auch über 2021 hinaus. Denn die Pandemie darf nicht die unzähligen kleinen Läden und Kiez-Cafés vernichten.
Neben den Mietpreisen geht es aber auch um die Raumfrage. Der Verkauf der früher landeseigenen GSG-Gewerbehöfe durch den damalige rot-roten Senat war ein Riesenfehler. Das müssen wir korrigieren. Mit der WISTA wurden hierfür erste Schritte getan, und neue Gewerbehöfe geschaffen – wir brauchen aber mehr davon, sowohl für Handwerker*innen wie Künstler*innen, denn auch das gehört zu einer wachsenden Stadt dazu.
Wenn es um vielfältige Gewerbestrukturen geht, dann spielt auch der Tourismus eine wichtige Rolle. Denn der Tourismus hat nicht nur positive, sondern auch viele negative Auswirkungen auf unsere Kieze. Durch eine veränderte Nachfrage bilden sich nicht selten touristische Monostrukturen, die dann zu Lasten eines vielfältigen Gewerbemixes gehen. Laut einer Umfrage von Visit Berlin fühlt sich ein Drittel der Menschen in unserem Bezirk durch den Tourismus gestört. Zwar hat die Pandemie den Städtetourismus fast zum Erliegen gebracht. Das wird aber nicht so bleiben. Wir müssen die Zeit jetzt nutzen, um die Probleme anzugehen und die Tourismuspolitik neu aufzustellen. Hierzu gehört auch, dass sich berlinweit die Genehmigung neuer Hotels an der Stadtverträglichkeit und der Zahl bereits bestehender Betriebe orientieren muss. Auch bereits geplante Standorte gehören auf den Prüfstand. Denn die Flächen können wir sinnvoller nutzen. Statt Besucherrekorde und Ballermann brauchen wir einen stadtverträglichen Tourismus, der die Menschen in den Kiezen in den Mittelpunkt stellt.
Julian Schwarze, Mitglied der BVV
Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.