Vor 125 Jahren teilten die Kolonialmächte in Berlin Afrika unter sich auf. Damit verschärften sich Ausbeutung und Diskriminierung Schwarzer Menschen. Der Stachel dokumentiert den Kampagnenaufruf eines Bündnisses, das sich für einen grundlegenden Wandel im Umgang mit unserer Kolonialvergangenheit einsetzt
Vor 125 Jahren, im Winter 1884/85, empfing Reichskanzler Bismarck die Vertreter der damaligen Weltmächte zur Afrika- oder Kongo-Konferenz in Berlin. Im Namen von Fortschritt und Humanität und vor dem Hintergrund der europäischen Rassenideologie einigten sich die Vertreter von zwölf
europäischen Staaten sowie des Osmanischen Reichs und der USA über die weitere koloniale Aufteilung und Ausbeutung des afrikanischen Kontinents. Im Palais des Reichskanzlers wurde das riesige „Kongobecken“ dem belgischen König Leopold II. übereignet. Dessen brutales Regime kostete mehr als zehn Millionen Menschen das Leben. Mit der Berliner Konferenz trat auch das Deutsche Reich dem Kreis der Kolonialmächte bei. Prügelstrafe, Menschen- und Ressourcenraub, Zwangsarbeit, Folter, Vergewaltigungen, Konzentrationslager und Völkermord kennzeichneten die folgende dreißigjährige Herrschaft der Deutschen in den Gebieten des heutigen Namibia, Togo, Kamerun, Tansania, Burundi und Ruanda. Allein während der blutigen Niederschlagung von Widerstandsbewegungen wurden mindestens 400.000 Menschen getötet.
Dennoch wird hierzulande die Geschichte des deutschen und des europäischen Kolonialismus kaum thematisiert. Erst nostalgisch glorifiziert, dann verdrängt und ignoriert, gilt die deutsche Kolonialgeschichte bis heute als harmlos, nicht relevant und abgeschlossen. Weder von
Bildungseinrichtungen, politischen Parteien oder in den Medien, noch durch systematische Forschung wird sie angemessen aufgearbeitet. Kaum ein Mahnmal oder Ort im öffentlichen Raum erinnert an ihre zahllosen Opfer. Der Internationale Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und an seine Abschaffung am 23. August findet keine Resonanz in Deutschland. Stattdessen werden noch immer deutsche Kolonialverbrecher mit Straßen, Plätzen und Alleen geehrt. Unkommentiert und ohne Problembewusstsein zeigen deutsche Museen Raubgut und Beutekunst aus den ehemaligen Kolonien. Bis heute lagern zu rassistischen Forschungszwecken entwendete Überreste afrikanischer Menschen in Magazinen und Depots deutscher Museen. 125 Jahre nach der Berliner Afrika-Konferenz steht eine umfassende und kritische Aufarbeitung des Kolonialismus noch immer aus.
Denn weder hier noch in den ehemals kolonisierten Staaten ist das koloniale Erbe überwunden. Aktuelle soziale und politische Konflikte in den ehemaligen Kolonien hängen mit der gewaltsamen Errichtung kolonialer Denk- und Gesellschaftsstrukturen durch die weißen Besatzer zusammen. Bis heute verschärfen europäische Waffenlieferungen diese Konflikte. Vor allem gehen die globalen wirtschaftlichen und politischen Dominanzstrukturen auf die Zeit des Kolonialismus zurück. Die europäische Entwicklungspolitik hat dieses Ungleichgewicht eher verstärkt als überwunden. Mit Wirtschaftsabkommen wie den geplanten Economic Partnership Agreements (EPAs) zerstört Europa Afrikas Märkte. Andererseits bereichert sich Europa durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des afrikanischen Kontinents. Gleichzeitig sterben hunderte von afrikanischen Menschen an den Grenzen der „Festung Europa“, sitzen Flüchtlinge grundlos in Haft, um schließlich abgeschoben zu werden. Rassismus findet in Form von physischer und psychischer Gewalt sowie von staatlich-rechtlicher Diskriminierung Schwarzer Menschen und von People of Color statt. Er hat seine historischen Wurzeln im Rassismus der Kolonialzeit. Der Kolonialismus ist nicht vergangen, er prägt noch immer unsere Gegenwart.
Anlässlich des 125. Jahrestags der Berliner Afrika-Konferenz fordern wir einen grundlegenden Wandel im Umgang mit Deutschlands kolonialer Vergangenheit!
Christian Kopp für die Mitglieder des Bündnisses
Nähere Infos: www.berliner-afrika-konferenz.de |