Warum Sicherheitsabkommen Standards brauchen

Gibt man die Worte „Sicherheitsabkommen + Deutschland“ in eine Internetsuchmaschine ein, erscheinen auf den ersten Seiten fast ausschließlich Treffer zur geplanten Sicherheitskooperation zwischen Deutschland und Mexiko.

Seit der damalige Bundespräsident, Christian Wulff, im Zuge seines Staatsbesuchs im Mai 2011 in Mexiko ein Abkommen zur „Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich“ ankündigte, wird dies bis heute kritisch hinterfragt und kommentiert. Insbesondere von Menschenrechtsgruppen und anderen NGOs – sowohl in Mexiko als auch in Deutschland – aber auch aus dem Bundestag. In verschiedenen Initiativen befragten wir die Bundesregierung zum genauen Inhalt des Abkommens  und forderten, der kritischen Menschenrechtslage vor Ort Rechnung zu tragen.

Die Antworten waren spärlich. Der Verhandlungsprozess blieb weitgehend intransparent.

Wahrscheinlich ist, dass das Abkommen am Ende keine konkreten Klauseln enthält, die die Vertragsstaaten verbindlich zur Einhaltung menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Standards verpflichten, wie wir als Grüne Bundestagsfraktion es fordern.

Dabei drängen sich Fragen nach solchen Standards geradezu auf, wenn es um mögliche Sicherheitskooperationen mit einem Staat geht, von dem hinlänglich bekannt ist, dass seine Sicherheitskräfte in Organisierte Kriminalität, Gewalt und schwerste Menschenrechtsverbrechen wie z. B. Folter, willkürliche Verhaftungen und Verschwindenlassen verstrickt sind. Bei dem sogar der Verdacht besteht, dass bis in höchste Ebenen, (bis zur Staaten- und Bundesregierung,) die Verstrickung mit der Organisierten Kriminalität anhält.

Das unterstreichen auch die grausamen Übergriffe in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero: 6 Menschen wurden getötet und 43 Lehramtsstudenten auf ihrem Weg zu einer Demonstration zunächst verschleppt. Sie wurden auf Geheiß des Bürgermeisters von Iguala und dessen Frau von der lokalen Polizei der kriminellen Gruppe Guerreros Unidos übergeben und von dieser  ermordet.

Der Fall Iguala ist kein Einzelfall  – seit Jahren verschwinden in Mexiko unzählige Menschen spurlos, häufig mit Beteiligung staatlicher Akteure, die mit Mitgliedern organisierter Banden kooperieren. Zu Verurteilungen der Täter kommt es äußerst selten.

Die Ereignisse in Iguala haben aber – so scheint es – das Fass zum Überlaufen gebracht und eine landesweite Protestwelle in Mexiko ausgelöst.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Bundesregierung aufgefordert, kein Sicherheitsabkommen mit der mexikanischen Regierung abzuschließen. Die Weitergabe von technischem Know-How an staatliche Institutionen, die mit der organisierten Kriminalität aktiv verquickt oder zum Teil von ihr unterwandert sind, birgt das Risiko, dass die gewonnenen Erkenntnisse nicht gegen, sondern für kriminelle Belange eingesetzt werden könnten.

Es gibt schon jetzt eine unschöne Verbindung zwischen dem Massaker in Iguala und Deutschland: im Rahmen der Ermittlungen wurden mehr als 30 Sturmgewehre vom Typ G-36 der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch (H&K) bei der lokalen Polizei in Iguala gefunden.

Ob sie  gegen die Studenten zum Einsatz kamen, ist noch nicht klar, kann aber nach Aussage des deutschen Menschenrechtsbeauftragten, Christoph Strässer (SPD), auch nicht ausgeschlossen werden.

Ende Dezember 2014 hatte ich die Bundesregierung nach der Endverbleibserklärung zu genau jenen in Iguala beschlagnahmten G36-Gewehren gefragt. Die Antwort ergab, dass mexikanische Behörden offensichtlich falsche Angaben hierzu gemacht hatten: die Gewehre waren in einem Bundesstaat aufgetaucht, für den sie laut Endverbleibserklärung gar nicht vorgesehen waren. Zudem ist Guerrero einer von vier mexikanischen Bundesstaaten, für die die Bundesregierung wegen der kritischen Menschenrechtslage  keine Ausfuhrgenehmigungen erteilt. Die mexikanische Seite bestreitet von dieser Auflage gewusst zu haben.

Der Fall zeigt wieder einmal deutlich die Unzulänglichkeiten der Endverbleibs-„kontrolle“: die Bundesregierung macht es sich zu einfach, wenn sie sich lediglich schriftlich bestätigen lässt, wer angeblicher Endnutzer der exportierten Waffen ist. Dabei sollte sie als Verantwortliche für die Genehmigungserteilung der Exporte in der Pflicht stehen, alle vorhandenen Informationen über den Endverbleib der Waffen zu prüfen.

Das Empfängerland Mexiko wiederum hat gegen die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern verstoßen. Konsequenz kann daher nur sein, keine weiteren Rüstungsexporte in das Land zu genehmigen.

 

Es stellt sich auch einmal mehr die Frage nach der Zuverlässigkeit des Oberndorfer Waffenherstellers H&K. Dies sollte Anlass sein, endlich sorgfältig zu prüfen, ob nicht eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit in Betracht kommt.

 

Zurzeit laufen Ermittlungsverfahren gegen die Firma wegen des Verdachts  illegaler Waffenexporte nach Mexiko.

Die Bundesregierung erteilt momentan wohl keine Ausfuhrgenehmigungen für Kleinwaffen nach Mexiko.

 

Anfang April werde ich in Mexiko sein, um mich mit MenschenrechtlerInnen, aber auch RegierungsvertreterInnen zu treffen. Ob der Termin mit der Generalbundesanwaltschaft klappt, die federführend die Verhandlungen zum Sicherheitsabkommen leitet, ist leider noch unsicher.

Die genannten kritischen Punkte werde ich ansprechen, in der Hoffnung, sie finden Gehör.

 

Hans-Christian Ströbele, MdB

Juliane Venus, wissenschaftliche Mitarbeiterin