In den ersten Monaten 2023 ist viel in Sachen Mobilität und Verkehrsberuhigung geschehen: Graefekiez, Bergmannkiez, Wrangelkiez. Aber auch viele kleinere Maßnahmen konnten fertiggestellt werden. Zu den Erfolgen und zu den Aussichten haben wir uns mit Annika Gerold, unserer Bezirksstadträtin für Verkehr und Ordnung, unterhalten.

Stachel: Was hat dich seit Jahresbeginn am meisten beschäftigt?
Annika Gerold: Wir haben noch einmal viel Arbeit in das Projekt Graefekiez gesteckt. Nach anwaltlicher Beratung haben wir den Versuch jetzt mit Teilen der Böckhstraße und der Graefestraße gestartet, in denen besonders viele Schulen liegen. Für das gesamte Management des Beteiligungsverfahrens hat das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) die Agentur paper planes engagieren können. Und wir sind pünktlich im April mit einer Auftaktveranstaltung gestartet. Wir rechnen damit, dass wir hier zahlreiche Erkenntnisse für künftige Projekte gewinnen können, was Verkehrssicherheit, Rechtssicherheit und Bürger*innenbeteiligung angeht. Bisherige Verfahren zogen sich über viele, viele Jahre hin. Bestimmt bekommen wir so mehr Tempo in die Verkehrsberuhigung, denn wir wollen sie ja möglichst flächendeckend im Bezirk einführen.

Was gibt es Neues aus dem Bergmannkiez?
Annika Gerold: Dort sind eine Menge gute Dinge passiert: Wir haben um den Chamissoplatz herum umfassend verkehrsberuhigt und damit die Erkenntnisse aus dem Bürgerbeteiligungsprozess umgesetzt. Dies zunächst mit rot-weißen Pollern, damit die Veränderungen gut wahrgenommen werden. Gerade jetzt beginnen die Bauarbeiten, um die Gehwegvorstreckungen baulich zu verstetigen und barrierearm zu gestalten mit Bordsteinabsenkungen. Dabei tauschen wir auch die rot-weißen Poller gegen graue aus, die besser in das Stadtbild passen. Im April wurden die südliche Zossener Straße und die Friesenstraße aus dem übergeordneten Straßennetz, für das der Senat zuständig ist, entlassen in die Hand des Bezirkes. Das bedeutet, dass wir nun endlich Planungshoheit für eine Sperrung für den Durchgangsverkehr am Marheinekeplatz haben. Wir rechnen damit. dass wir das 2025 umsetzen können. Als dritte gute Nachricht aus dem Bergmannkiez gibt es die Abweisung von zwei Klagen gegen die Maßnahmen vor dem Verwaltungsgericht – damit gewinnen wir mehr Rechtssicherheit für künftige Verkehrsberuhigungen. Das Verwaltungsgericht stimmte uns zu, dass Verkehrssicherheit höher gewichtet wird als geringfügige Mehrbelastungen durch veränderte Verkehrsflüsse.

Wie geht es weiter mit allgemeiner Verkehrsberuhigung in anderen Teilen des Bezirks?
Im Wrangelkiez konnten wir endlich die neue Parkzone in Betrieb nehmen und sorgen so auch für weniger Verkehr von außen und weniger Parksuchverkehr. Die Maßnahmen wie Einbahnstraßenregelungen und Diagonalsperren, die wir Ende letzten Jahres umgesetzt haben, justieren wir nun noch im Dialog mit den Einwohner*innen und Gewerbetreibenden etwas nach. Beim Lausitzer Platz haben Entsiegelungsmaßnahmen begonnen und die Anwohner*innen engagieren sich in der Gestaltung.
In der Krautstraße in Friedrichshain haben wir ebenfalls eine Parkzone eingerichtet, als nächstes bereiten wir eine Parkzone im Reichenberger Kiez vor und hoffen, noch in dieser Legislaturperiode den ganzen Bezirk mit Parkzonen auszustatten. Hierfür müssen wir leider einige Hindernisse überwinden, da wir mit Personal- und Raumknappheit zu kämpfen haben. Aber die nächsten beiden Zonen sind bereits in Arbeit.
Wir widmen uns nun vor allem der Verkehrsberuhigung im Friedrichshainer Südkiez, dem Viertel um den Boxhagener Platz. Voraussichtlich noch in diesem Quartal werden wir unser Konzept dazu vorstellen. Gelder für dann erforderliche Gutachten haben wir auch bereits zugesagt bekommen. Danach können wir dann in die Feinplanung gehen und die nötigen Gelder beantragen.
Wir arbeiten ansonsten mit unserer bewährten Strategie, erstmal etwas mit begrenztem Umfang umzusetzen und uns anzusehen, wie die Maßnahme angenommen wird, statt mit einer vermeintlich perfekten Planung an die Projekte heranzugehen, die viel mehr Zeit und Ressourcen bräuchte. Stattdessen werten wir aus und steuern vor allem dort nach, wo es erforderlich ist.

Im letzten Stachel hast du von Ressourcenmangel gesprochen. Hat sich daran etwas geändert?
Annika Gerold: Ja, denn glücklicherweise konnten wir die meisten unserer Stellen in den letzten Monaten wieder neu besetzen. Nach einer Einarbeitungszeit sind es dann sechs Mitarbeitende, die sich der Verkehrswende widmen können. Wir hätten noch Ideen für mehr Mitarbeitende, aber erstmal keine bewilligten Stellen. Eine Stelle jedoch für eine Verkehrs- oder Bauingenieur*in haben wir noch ausgeschrieben. Vielleicht kennt ihr jemanden? Gelder könnten auch mehr sein, vieles für dieses Jahr ist aber bereits bewilligt. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass wir jetzt wieder viel zügiger vorankommen als Ende 2022 / Anfang 2023.

Was hast du für Nachrichten für Radfahrende?
Annika Gerold: Wir haben seit Jahresbeginn einige stark verbesserte Radwege bzw. Radspuren in Betrieb nehmen können. Auf der Karl-Marx-Allee sind wir mit der Verbreiterung auf drei Meter Breite gut vorangekommen, der Rest folgt dieses Jahr. Die Radspur am Stralauer Platz – vor dem Ostbahnhof – ist endlich umgebaut zu einer mit Pollern gesicherten Anlage. In der Zossener Straße zwischen Blücherstraße und Landwehrkanal haben wir gerade eine großzügige gesicherte Radverkehrsanlage fertiggestellt.
In Planung haben wir vor allem gesicherte Radverkehrsanlagen auf der Michaelbrücke und in der Scharnweberstraße. Die Planung der Radspuren im Westteil der Revaler Straße ist weit fortgeschritten, so dass hier auf jeden Fall noch 2023 gebaut werden wird. Auch mit einem Baubeginn der Fahrradstraße in der Gärtnerstraße rechne ich noch dieses Jahr. Die Schlesische und Köpenicker Straße werden geschützte Radspuren erhalten. Für die Skalitzer Straße ist gerade die Machbarkeitsstudie erschienen. Diese legt nahe, dass die Fahrbahnen nördlich der Hochbahn zu einer Fahrradstraße werden und der Autoverkehr komplett auf die südliche Seite geht. Dies ist aber eine übergeordnete Straße in der Verantwortung der Senatsverwaltung.

Geplante Maßnahmen für Zufußgehende 2023
Geplante Maßnahmen für Zufußgehende 2023 (Grafik: Yannick Brugger)

 

Und für die Zufußgehenden?
Annika Gerold: Dafür haben wir in der letzten Zeit eine Menge Querungshilfen – vor allem Gehwegvorstreckungen – gebaut, 13 an der Zahl. Dieses Jahr sollen noch mindestens 30 Maßnahmen dazu kommen, darüber habe ich gerade eine ausführliche Pressemitteilung veröffentlicht.
Für mehr Schulwegsicherheit sorgen wir nicht nur im Graefekiez: die Umgestaltung der Simplonstraße vor der Modersohn-Grundschule konnten wir Anfang des Jahres fertigstellen. Als nächstes widmen wir uns – auch im Rahmen des ganzen Südkiezes – der Jane-Goodall-Schule in der Scharnweberstraße. Und alle schon genannten allgemeinen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen kommen ja sehr stark Fußgänger*innen zugute.

Das klingt nach einem erfolgreichen Jahr 2023 für die Verkehrswende in Friedrichshain-Kreuzberg?
Annika Gerold: Ja, das Jahr hat sehr gut angefangen und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sehr viel von dem schaffen, was wir uns vorgenommen haben, und dabei noch eine Menge Erkenntnisse gewinnen, mit denen wir das Tempo der Verkehrswende beachtlich steigern können.

Wir danken für das Gespräch!

Mehr Informationen: www.berlin.de/ba-friedrichshain-­kreuzberg/aktuelles/pressemitteilungen/ und www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/aemter/strassen-und-gruenflaechenamt/artikel.205944.php

Das Gespräch führte Andreas-M. Selignow

Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.