Am 08.11.2007 hat Heidi Kosche in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses eine Rede zum Nichtraucherschutzgesetz des rot-roten Senats gehalten.
Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen!
Der Gesundheitsschutz für die Nichtraucherinnen und Nichtraucher in Berlin war Anfang des Jahres auf einem guten Weg. Die Kitas und Schulen waren per Gesetz rauchfrei. Die BVG, die Vivantes-Kliniken, das Urbankrankenhaus mit seinem Eingangsbereich und die Flughäfen waren es durch Selbstverpflichtung. Wir bewerten heute das rot-rote Gesetz für den Nichtraucherschutz und fragen, ob der Schutz so umfassend ist, wie wir es uns wünschen. Nach meiner Auffassung gibt es zu viele Ausnahmen. Zu den kritikwürdigsten Ausnahmen gehört, dass in den Gaststätten – und leider nach wie vor in den Sportgaststätten – und neuerdings auch in den Diskos der Stadt in abgeschlossenen Nebenräumen geraucht werden darf. Die Koalition argumentierte dazu im Gesundheitsausschuss, sie hätte die Auflagen zum Einrichten von Nebenräumen so erschwert, dass davon kaum Gebrauch gemacht werden könne. – Welch ein Unsinn!
Es werden Nebenräume eingerichtet. Das werden jedoch die Gastwirte und -wirtinnen tun, die das Geld dafür haben. Das Schlimmste aber ist, dass von dieser Nebenraumpolitik weiterhin eine Gesundheitsgefährdung ausgeht, und zwar so, als gäbe es keinen Nichtraucherschutz in Gaststätten. Der Rauch bleibt nämlich nicht in den Nebenräumen. Er zieht heraus, weil die Türen offen stehen. Die Schadstoffe, Herr Albers, sind nicht nur in der Luft, sondern sie lagern sich in den Gardinen, Teppichen und Wänden ab.
Die Nichtraucherräume kontaminieren mit der Zeit.
Die neueste Studie von Dr. Martina Plötschke-Langer des Krebsforschungszentrums Heidelberg vom September 2007, Herr Czaja, hat in eindrucksvoller Weise aufgezeigt, wie stark diese Gesundheitsgefährdung ist. Die zentrale Aussage dieser Studie lautet: Die Werte für lungengängige Partikel sind im Nichtraucherbereich vor dem Raucherraum gleich hoch wie im Raucherraum selbst. Angesichts dieser klaren Ergebnisse gibt es nur die grüne Alternative, die wir heute ein zweites Mal mit unserem Änderungsantrag einbringen: keine Ausnahmen für den Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher, keine Nebenraumpolitik.
Was ist mit dem Schutz der Menschen, die in der Gastronomie arbeiten? Das sind Sie von der rot-roten Koalition schon so oft gefragt worden. Sie sind die Antwort aber regelmäßig schuldig geblieben. Jetzt gebe ich Ihnen die Antwort aus der vorher erwähnten Studie: Der Zwang zur Arbeit in den Raucherräumen verstößt gegen das Recht der Beschäftigten auf körperliche Unversehrtheit. So sieht Ihre Gesundheits- und Sozialpolitik aus. Das lehnen wir ab.
Unsere Kinder bekommen immer noch nicht genug Schutz durch das rot-rote Gesetz. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind Kinderspielplätze untersucht worden. Das Ergebnis: Auf den Spielplätzen liegen massenhaft Kippen für die Kinder bereit. Die Giftnotzentrale Berlin befasste sich im letzten Jahr über 260-mal mit Vergiftungen durch das Verschlucken von Zigaretten bei Kindern auf Spielplätzen. Das Argument von Rot-Rot, Kinderspielplätze nicht in das Gesetz einzubeziehen lautet: Es passt nicht in die Rechtssystematik. – Das ist doch abenteuerlich. Bayern bezieht seine Festzelte in den Schutz ein. Bei uns passt es nicht in die Rechtssystematik. Wir fordern qualmfreie Kinderspielplätze und werden deswegen – obwohl Sie uns nicht erwähnt haben, Herr Czaja – dem Änderungsantrag der CDU zustimmen.
Frau Senatorin! Sie halten immer noch an den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Nichtraucherschutz zum Nachteil des Schutzes der Berlinerinnen und Berliner fest. Diese Ergebnisse sind aber so gesundheitsschädlich, dass viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen längst ausgeschert sind und weitergehende Schutzbestimmungen in ihre Ländergesetze aufgenommen haben. Vorbildlich ist die bayerische Position: keine Ausnahme beim Nichtraucherschutz in Gaststätten. Die Bayern haben mit ihrer Laptop- und Lederhosenpolitik schon immer das Maximum für ihre Landsleute im Blick gehabt. Machen wir im Norden heute hier eine Ausnahme: Folgen wir den Bayern!
Der FDP-Antrag ist noch gesundheitsschädlicher als der rot-rote Gesetzentwurf. Dem können wir nicht zustimmen.
Da ich als letzte Rednerin zu diesem Thema spreche, und da ich im Frühjahr den Anstoß dazu gegeben habe, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Abgeordnetenhauses für das eindrucksvolle Logo in der Eingangshalle bedanken. Sie haben uns damit unterstützt und unsere Vorbildfunktion eindrucksvoll ausgefüllt. Ich bedanke mich auch dafür, dass Sie die Monsteraschenbecher so schnell weggeräumt haben und unser Haus jetzt vorbildlich aussieht. Ich bitte unseren Präsidenten, diesen Dank zu überbringen. – Vielen Dank!