DS/1834/III

Mündliche Anfrage

Sehr geehrter Herr Wesener,

Ihre oben genannte Mündliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

1) Wie bewertet das Bezirksamt die Forderung von Finanzsenator Nußbaum nach einer „stundengenauen Abrechnung “ der Kita-Betreuungszeiten und der Übernahme von nachträglich entstehenden Betreuungskosten durch den jeweiligen Bezirk?

Die Forderung nach einer „stundengenauen Abrechnung“ bedeutet, dass die jeweilige Anwesenheitszeit der Kinder für die Finanzierung des Personals zugrunde gelegt werden soll. Dies würde jegliche Personalplanung der Kita-Träger unmöglich machen. Derzeit werden die belegten Plätze in ihrem jeweils benötigten Umfang über die Gutscheine finanziert.

Der Träger bekommt z.B. für einen Teilzeitplatz solange das Platzgeld, wie das Kind diesen Betreuungsumfang benötigt und diese Kita besucht. Er erhält das Geld auch, wenn das Kind erkrankt ist oder früher abgeholt wird. Allerdings werden der Kita auch keinerlei „Freihaltegelder“ gezahlt. Sofern ein freier Platz nicht sofort nach belegt wird (was z.B. im Sommer beim Weggang von Kindern zur Schule die Regel ist) entfällt auch die entsprechende Platzfinanzierung.

Um dennoch sowohl die gesetzlich vorgeschriebene Personalausstattung als auch eine Bezugspersonenkontinuität für die Kinder zu gewährleisten, ist die Personalplanung für die Träger schon heute ein Balanceakt. Wenn nun die Finanzierung über tatsächliche Anwesenheitsstunden realisiert werden sollte, könnten Träger aufgrund des unkalkulierbaren finanziellen Risikos keine mittel- oder langfristigen Arbeitsverhältnisse mit ErzieherInnen mehr abschließen. Alternativen wären Zeitarbeitskräfte – ein in der frühen Bildung unvorstellbares Arrangement. Eine Übernahme von „nachträglich entstehenden Betreuungskosten durch die Bezirke“ meint die anteilige Finanzierung von Gutscheinen, die über den sogenannten Rechtsanspruch hinausgehen. (Dies betrifft alle Gutscheine für Kinder unter 3 Jahren sowie für 3-6 Jährige, die mehr als einen Teilzeitplatz benötigen.)

Das Jugendamt sieht in dieser Forderung den Versuch, die Kosten des Volksbegehrens auf die Bezirke abzuwälzen. Die Behauptung des Finanzsenators, der Anstieg der Transferausgaben für die Kitabetreuung stehe in Zusammenhang mit einer großzügigen Bewilligungspraxis der Bezirke und müsse daher von ihnen finanziell getragen werden, basiert unseres Wissens nach keineswegs auf einer Ursachenanalyse oder Überprüfung der Bedarfsbescheidung der Bezirke. (siehe auch zu 3.)

2) Welche Auswirkungen hätte eine solche Regelung – für die betroffenen Kinder und Familien, für die Bewilligungspraxis des Jugendamts und für den bezirklichen Haushalt?

Die Regelung hätte für Friedrichshain-Kreuzberg die Konsequenz, dass 884.235 € für das Jahr 2009 aus dem Bezirkshaushalt aufgebracht werden müssten.

Künftig hätte die Anwendung des vorgeschlagenen Nachbudgetierungsmodells zur Folge, dass die Bezirke für das Zuweisungsjahr Planmengen auf Grundlage der Ist-Mengen des Basisjahres ermitteln müssen. Um dann Mehrausgaben zu begrenzen, dürften beispielsweise nicht mehr Krippenplätze bewilligt werden, als die Plan- (Basismenge) vorgibt. Dies würde bedeuten, dass bei weiterem Anstieg der Kinderzahlen viele Mütter und Väter in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden oder eben aus dem Bezirk wegziehen müssten in Bezirke, deren Planmengen noch nicht ausgeschöpft sind. Eine Reduzierung von Ausgaben für Gutscheine, die aus sozialen, familiären oder pädagogischen Kriterien erteilt werden, hätte die Konsequenz, dass unsere Bestrebungen, Bildungsbenachteiligungen bereits im frühen Kindesalter entgegenzuwirken, stark eingeschränkt werden.

3) Wie begegnet das Bezirksamt dem – durch die Äußerungen von Finanzsenator Nußbaum nahe gelegten – Vorwurf, die vom Jugendamt bewilligten Betreuungszeiten gingen über den gesetzlichen Anspruch hinaus?

Der Vorwurf wird durch das Jugendamt strikt zurückgewiesen (siehe Pressemitteilung von Jugendstadträtin Monika Herrmann vom 24.06.2010) Der Bedarfsfeststellung und Bescheiderteilung durch die Gutscheinstelle unterliegt einer dezidierten Verwaltungsvorschrift. Für Kinder unter 3 Jahren oder für einen höheren als den gesetzlich zustehenden Betreuungsumfang müssen Eltern belegen, dass sie die Betreuung des Kindes z. B. wegen Arbeitstätigkeit oder Qualifizierungsmaßnahmen nicht selbst übernehmen können.

Für Bedarfsgründe, die im Ermessen des Jugendamtes beschieden werden, wird seit zwei Jahren die berlin weit abgestimmte Orientierungsgrundlage angewandt. Aus pädagogischen, familiären oder sozialen Gründen kann eine Familie einen (höheren) Betreuungsumfang beantragen. Für jede einzelne Familie mit ihrer individuellen Situation erfolgt eine Überprüfung und Stellungnahme durch eine (sozial)pädagogische Fachkraft. Zusammenfassend ist festzustellen, dass alle beantragten Kitagutscheine sehr verantwortungsbewusst durch die Mitarbeiter/innen der Gutscheinstelle geprüft werden. Eine Erhöhung der Ausgaben für Gutscheine in Friedrichshain-Kreuzberg in den letzten 4 Jahren ist zum einen durch den hohen Anstieg der Kinderzahlen (und hierbei v.a. der 0-3 Jährigen) zu erklären. Außerdem ist durch die Einführung des Elterngeldes die Bezugsdauer des zuvor erteilten Erziehungsgeldes auf 12 Monate verkürzt worden. Daher gehen Eltern wieder früher nach der Geburt einer Berufstätigkeit nach.

Ein hoher Prozentsatz der Eltern unseres Bezirks ist alleinerziehend. Diese Väter und Mütter benötigen in der Regel mehr als nur einen halbtags- oder Teilzeitgutschein, um ihrer Tätigkeit nachgehen zu können.

Monika Herrmann

Fragesteller: Herr Wesener, Daniel