Rechtsradikalismus in der DDR war ein alltägliches Tabu. Das Jugend(widerstands)museum Galiläakirche in der Rigaer Straße nimmt sich des Themas an

Als 1990 Amadeu Antoniu Kiowa in einer brandenburgischen Kleinstadt von rechtsextremen Jugendlichen zu Tode geprügelt wurde, gab es schnell eine Schuldzuweisung an zugereiste Neonazis aus den alten Bundesländern. Doch diese Erklärung griff schon immer zu kurz. In der DDR wurde die nationalsozialistische Vergangenheit ausgeblendet. Die Parole vom völligen Neuanfang schnitt nach 1945 jegliche Diskussion über Mitverantwortung und Verstrickung aller Deutschen von vornherein ab. Die DDR habe ihre historische Leistung erbracht, hieß es. Schuld und Scham wurden wegrationalisiert.

Übergriffe von Neonazis zu DDR-Zeiten

Leider ist Friedrichshain immer wieder in den Negativschlagzeilen betreffs rechtsextremer Straftaten. 1986 lief im Kino Kosmos in der Karl-Marx-Allee „Rosa Luxemburg“, ein Film von Margaretha von Trotta. KinobesucherInnen, die den Fußweg am Seniorenheim nahmen, waren durch auf den Boden geschmierte Hakenkreuze mit der rauen Gegenwart konfrontiert. Ende der 1980er Jahre häuften sich neonazistische Übergriffe und Provokationen von Skinheads in der DDR. Diese wurden jedoch nicht als rechtsextreme Straftaten sondern als Rowdytum oder aus dem Westen gesteuerte Provokationen verurteilt. Eine öffentliche Diskussion war tabu.

Am 17. Oktober 1987 überfielen Neonazis ein Punk-Konzert in der Ost-Berliner Zionskirche, in der „Die Firma“, eine Punkband aus Ost-Berlin, und „Element of Crime“ aus West-Berlin spielten. Einige Dutzend Ost-Berliner Neonazis prügelten auf Besucher und Passanten ein – die Polizei blieb tatenlos. Am nächsten Tag berichteten westliche Medien über diesen Überfall, so dass auch die DDR-Medien dieses Ereignis und damit die Existenz von Rechtsextremismus in der DDR nicht mehr stillschweigend übergehen konnten.

Alösa-Punks legen einen Kranz nieder

Um sich von dem braunen Anstrich zu distanzieren, der ihnen von den staatlichen Organen verpasst wurde, organisierten Ende 1983 die Ost-Berliner Alösa-Punks (benannt nach dem Treffpunkt ProFi-Keller auf dem Gelände der Erlöserkirche in Lichtenberg) eine Kranzniederlegung für die Opfer des Faschismus. Für diese Aktion wurde der Sticker „Nur Schafe brauchen einen Führer“ per selbst entwickelten Fotos hergestellt. Der Bahnhof von Oranienburg wurde jedoch abgeriegelt und das Konzentrationslager Sachsenhausen für geschlossen erklärt. Die Punks zogen unverrichteter Dinge ab und legten nach einem gelungenen, legendären Ablenkmanöver ihren Kranz bei zu spät eintreffender Staatssicherheit Unter den Linden, mitten in Berlin in aller touristischer Öffentlichkeit am Mahnmal für die Opfer des Faschismus nieder. Der Kranz wurde sofort von „Sicherheitskräften“ entfernt.

Erinnerung an den Mut Menschen in der DDR

Im Rahmen von „20 Jahre danach“ – Veranstaltungen in Friedrichshain-Kreuzberg zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hat die Hedwig-Wachenheim-Gesellschaft e.V. im Jugend[widerstands]museum Galiläakirche in der Rigaer Straße drei Veranstaltungen zum Thema „Gefahr von Rechts“ organisiert. Mit der am 9. November 2008 eröffneten Dauerausstellung „Wir lassen uns nicht nehmen, was uns sowieso nicht gehört!“ – Jugendwiderstand und Jugendopposition in der DDR 1968 bis 1989 – werden Bezugspunkte der jugendkulturell geprägten Oppositionsszene, z.B. Blues, Punk und Rock, an einem authentischen Ort erfahrbar. Die Ausstellung soll die Erinnerung an den Mut von Menschen in der DDR wach halten und deutlich machen, wie wichtig der „aufrechte Gang“ und Zivilcourage auch heute noch sind.

Elke Böttcher

Weitere Informationen: „20 Jahre danach“ – Veranstaltungen in Friedrichshain-Kreuzberg zum 20. Jahrestag des Mauerfalls, herausgegeben vom Bezirksamt Friedrichshain; www.diehedwig.org Kasten: Veranstaltungen zum Thema im Jugend[widerstands]museum Galiläakirche, Rigaer Straße 9-10, 10247 Berlin: Fr 16. 10. um 19.00 Uhr „Rechtsextremismus im ehemaligen Ost-Berlin und in Berlin vor und nach dem Fall der Mauer“ Podiumsdiskussion mit Wolfram Hülsemann (Ost-Berliner Stadtjugendpfarrer), Canan Bayram (MdA, Ini gegen Rechts), Vertreter/in von ReachOut (Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus) u.a. Sa 17. 10. um 19.00 Uhr „Rock gegen Rechts“ Konzert im Gedenken an den Skinheadüberfall auf Besucher des Konzertes (u.a. Element of Crime) in der Ostberliner Zionskirche am 17. Oktober 1987; Organisation: CLoF e.V., AWO Friedrichshain-Kreuzberg e.V. So, 18. Oktober 2009, ab 11.00 Uhr „Info- und Aktionstag gegen Rechts“ mit der Initiative gegen Rechts-Friedrichshain, der Antifa u.a. Begleitausstellungen: „Dokumentation des mehrfachen Verschwindens der Gedenktafel für den von rechtsgesinnten Jugendlichen ermordeten Silvio Meier im U-Bahnhof Samariterstraße“ von Ute Donner und „Tatort-Fotos“ von Jörg Möller