Seit November 2017 steht die Allgemeinärztin Kristina Hänel immer wieder vor Gericht. Warum? Weil sie darüber informiert, wie sie in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchführt.
Laut Paragaf 219a des Strafgesetzbuchs (StGB) macht sie sich damit strafbar wegen „Werbung für Schwangerschaftsbrüche“. Nach einem “Kompromiss” von CDU, CSU und SPD auf Bundesebene zur Reform des § 219 a StGB ist es Ärzt*innen nunmehr zwar erlaubt, darauf hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Jedes weitere Wort, jede darüber hinausgehende sachliche Information zum „Wie“ der angewandten Methoden sowie Auskünfte zum Ablauf der konkreten Maßnahmen hat die große Koalition den Ärzt*innen damit nicht nur verboten, sondern sogar explizit unter Strafe gestellt.
Am 22.12. 2020 wurde die Verurteilung von Kristina Hänel zu einer Geldstrafe auch nach der neuen Rechtslage rechtskräftig. Sie und natürlich alle anderen durchführenden Ärzt*innen mussten die Informationen von ihren Webseitennehmen, sonst würden sie immer wieder angeklagt und mit bis zu zwei Jahren Gefängnisstrafe bestraft werden können. Schließlich machen es sich manche radikale Abtreibungsgegner*innen zum Hobby, entsprechende Rechtsverstöße von Praxen im Netz zu suchen und diese dann anzuzeigen.
Kristina Hänel reagiert nun mit einer Verfassungsbeschwerde.
Falsche Informationen gefährden Leben
Die Rechtssprechung zu § 219 a StGB ist nicht nur bigott, sondern auch gefährlich. Während Ärzt*innen ihrer Aufklärungspflicht nicht nachkommen dürfen, verbreiten fundamentalistische Gruppen ungehindert reißerische und gewaltvolle Fake-News im Netz. Nicht selten finden Demonstrationen mit grafischen und falschen Darstellungen auch direkt vor den entsprechenden Praxen statt.
Dies ist psychisch und physisch eine Gefahr für Personen, die in einer Konfliktsituation Informationen und Hilfe brauchen.
Dass ein Bezirksverordnetenparlament (BVV) den vermurksten Kompromiss nicht ändern kann, ist klar. Aber der Bezirk kann selbst alle notwendigen Informationen auf seinen Informationsangeboten (Flyer und Webseiten) zur Verfügung stellen und sich auch gegenüber der Senatsverwaltung für Gesundheit dafür stark machen.
Deswegen hat die Grüne BVV-Fraktion Xhain am 27. Januar 2021 den Dringlichkeitsantrag “Recht auf körperliche Selbstbestimmung von Schwangeren gewährleisten (II): Sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche ermöglichen“ (DS/ 1952/V) eingebracht, um das Bezirksamt mit dieser Aufgabe zu beauftragen. Er wird vermutlich bei der nachgeholten BVV-Sitzung im Februar beschlossen werden.
Wir finden: Sachliche Aufklärung über Schwangerschaftsabbrüche kann keine “Werbung” sein. Der Zugang zu diesen Informationen muss allen offen stehen, die sie benötigen. Weitere Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch findet ihr auch hier: Informationen über Schwangerschaftsabbrüche Wir haben sie von “Frag den Staat!” übernommen.