Geflüchtete haben ein Recht auf Wohnen und Privatsphäre. Die Unterbringung in sogenannten Sammelunterkünften ist nicht menschenwürdig und macht auf Dauer krank. Daher braucht es einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingsunterbringung.

Bündnis 90/Die Grünen in Berlin fordern schon seit langem, dass Geflüchtete vorrangig in Wohnungen untergebracht werden. Vor 3 Jahren ist es unter Druck gelungen, den Senat zu einer Vereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu drängen. Die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen ist nicht nur eine Pflicht des Staates sondern auch ein Recht der Geflüchteten. Dennoch werden derzeit mehr als die Hälfte der Geflüchteten in sogenannten Sammelunterkünften untergebracht. Eine Forderung der protestierenden Refugee des Refugeestrike war die Abschaffung von Lagern. Als Lager werden die Sammelunterkünfte für Geflüchtete bezeichnet, um deutlich zu machen, dass diese Form der Unterbringung gegen die Menschenwürde verstößt. Denn sie ermöglicht keine Privatsphäre und führt bei längerer Dauer zu psychischen Erkrankungen (Hospitalismus u.a.). Daneben macht es auch staatlicher Sicht wenig Sinn, da die Lagerunterbringung nicht nur menschenunwürdig sondern auch weniger wirtschaftlich ist, als die Unterbringung in Wohnungen.

 

Temporäre dezentrale Unterbringung

 

Aufgrund der aktuell gestiegenen Flüchtlingszahlen müssen auch wir als Bündnis 90/Die Grünen über temporäre Unterbringung von Geflüchteten nachdenken. Daher haben wir vorgeschlagen, dass diese dezentral in den Kiezen eingebunden sein sollen und von gemeinnützigen Institutionen betrieben werden. Interessant ist insoweit die Praxis in der Stadt Münster. Dort werden alle Einrichtungen für Geflüchtete unter 50 Personen betrieben. Demgegenüber werden in Berlin in den Einrichtungen in der Regel zwischen 200 bis zu ca. 500 Menschen untergebracht. Da ist der Konflikt sowohl unter den Geflüchteten wie auch der Nachbarschaft bereits vorprogrammiert. Bei kleineren Einheiten stellt sich die Frage nach Security oder anderen für große Einrichtungen typischen Problemen weniger akut. Münster hat keine Securties in den Einrichtungen und stellt auch mehr auf Eigenverantwortlichkeit der Bewohnerinnen und Bewohner. Auf Einer Veranstaltung im Dezember wurde eine Anwendbarkeit der Kriterien von Münster auf Berlin diskutiert und mehrheitlich als begrüßenswert bewertet. In Münster sehen die Mindeststandards 14,5 qm pro Bewohnerinnen und Bewohner vor. Demgegenüber gilt in Berlin laut den Mindeststandards 6 qm als ausreichend.

 

Patenkind-Affäre des Präsidenten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales

 

Seit den 1990er Jahren gibrt es eine Praxis in Berlin, an der private Baufirmen und dubiose Betreiber von Sammelunterkünften viel Geld verdienen und die Geflüchteten einen hohen Preis zahlen, dem schlechte Dienstleistung gegenübersteht. Aktuell bestimmen Patenkind-Affäre, Korruption und Verstöße gegen Mindeststandards die Debatten in der Diskussion um die Unterbringung von Geflüchteten. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso)ist für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedient es sich privater und gemeinnütziger Träger. Gegen den Präsidenten des Lageso läuft derzeit ein Strafverfahren. Vorwurf ist, dass er seinem Patenkind bevorzugt Einrichtungen zum Betrieb von Flüchtlingsunterkünften zugeschoben haben soll. Das Patenkind des Präsidenten des Lageso Franz Aller ist der Geschäftsführer der Firma Gierso. Die Gierso stand bereits länger in der Kritik, da ihnen vorgeworfen wird, in den Flüchtlingsunterkünfte gegen die Mindeststandards zu verstoßen. Dies geht von der Abrechnung von nicht existenten Mitarbeitern bis zu haltlosen Hygienestandards. Der Flüchtlingsrat, eine Nachbarschaftsinitiative und Vertreter der Oppositionsfraktionen haben immer wieder auf die Missstände hingewiesen. Dennoch hat der Sozialsenator Mario Czaja (CDU) nicht darauf reagiert.

 

Aufklärung und Paradigmenwechsel

 

Eine im Lageso durchgeführte interne Revision kam zu dem Ergebnis, dass aus den Akten keine Einflussnahme des Präsidenten vorläge und auch für ein korruptives Verhalten keine Indizien gefunden wurden. Welch erstaunliche Auskunft, denn wer hätte wohl vermutete, dass dies auch noch in Akten vermerkt worden sei. Auf Forderung der Oppositionsfraktionen wurde beschlossen, dass eine externe Wirtschaftsprüfungskanzlei die Vorgänge im Lageso überprüfen soll. Bereits jetzt steht fest, dass bei der Vergabe von Einrichtungen zum Betrieb von Unterkünften Geflüchteten keine ordnungsgemäßen Auswahlverfahren oder Ausschreibungen vor der Entscheidung für eine Anbieterin bzw. einen Anbieter stattgefunden haben.Derzeit nehme ich Einsicht in die Akten der Sammelunterkünfte beim Lageso und stelle in den Ausschüssen mündliche bzw. auch schriftliche Anfragen an den Senat. Bereits jetzt steht fest, dass sich bei der Unterbringung von Geflüchteten grundsätzlich etwas ändern muss, damit jeder Cent, den wir Abgeordnete als Haushaltsgesetzgeber bewilligen tatsächlich den Menschen in den Flüchtlingsunterkünften  zugute kommt und nicht in den Taschen dubioser privater Heimbetreiber landet.

 

Canan Bayram,

Mitglied des Abgeordnetenhauses,

Sprecherin für Integration, Migration und Flüchlinge