Am 13.09.2007 hat Heidi Kosche in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses eine Rede zum Gesetzentwurf des rot-roten Senats zum Berliner NichtraucherInnenschutz gehalten.
Das Jahr 2007 fing gut an für den Nichtraucherschutz in Berlin: Die neue Gesundheitssenatorin Lompscher forderte im Januar „einen besonders strengen Nichtraucherschutz“. Sie plädierte für ein „totales Rauchverbot in Gaststätte“. Begründung: „Alles andere wäre eine Wettbewerbsverzerrung, weil die Gastronomen sehr unter-schiedliche Möglichkeiten hätten, ein abgetrenntes Raucherzimmer einzurichten“. Außerdem befürchtete sie – damals -, „dass durch Ausnahmen der Nichtraucherschutz langsam ausgehöhlt werden könnte“. Und noch im Februar erwog Frau Lompscher: „Wenn (die Entscheidungen der Länderchefs) nicht ausreichen sollten, werde ich mich dafür einsetzen, dass Berlin einen mutigen Schritt für ei-nen umfassenden Nichtraucherschutz wagt“. Wir sind nun heute hier, um diesen „mutigen Schritt“ in der I. Lesung des rot-roten Nichtraucherschutzgesetzes zu bewerten: Es ist ein umfassendes Gesetzeswerk das alle öffentlichen Gebäude einbezieht. Wir würden es begrüßen, dass der Nichtraucher/-innenschutz spezialgesetzlich – d. h. speziell für Kitas, für Krankenhäuser etc. – geregelt wird, weil damit das Vor-Ort-Prinzip besser zur Geltung kommen könnte. Aber das nur am Rande. Ich möchte mit den Ausnahmen des Schutzes beginnen, die das Gesetzt macht: In Gaststätten soll nun doch in abgeschlossenen Nebenräumen geraucht werden dürfen. Wie dicht sollen diese Nebenräume denn sein, wenn ich mal fragen darf? Darf denn da die Tür geöffnet werden? Und bleibt der Rauch auch schön im Nebenraum, wenn die Tür offen steht, oder entweicht der etwa in die Gaststätte? Und wer soll denn da die Raucher/-innen bedienen? Und putzen die Menschen, die in den „Nebenräumen“ rauchen, diese selber? Und wo lassen die ihre Kinder, wenn sie in den Nebenräumen sitzen? Wir lehnen diese Nebenräumeraucherpolitik ab. Immer schon! Ganz besonders und vor allem die Nebenräume in Sportgaststätten, denn wir wollen, dass mit dem EU-weiten Nichtraucher/-innenschutz eine Generation heranwächst, die gesund leben cool findet. Ich wünsche mir, dass gesund leben Lifestyle wird, für alle jungen Menschen in Europa, und dazu passt es nicht, dass dort, wo sich viele Jugendliche aufhalten – in Sportstätten -, geraucht wird. Da geht Berlin einen falschen Weg. Vor allem aber kritisiere ich die Ausnahmen bei den Gesundheitseinrichtungen unserer Stadt, also die Ausnahmeregelung Nr. 5. Hier bin ich mit der Wirkung dieser Ausnahmen überhaupt nicht einverstanden, denn es heißt hier bei dieser Ausnahmenregelung: „…in besonders ausgewiesenen Räumen im Gesundheitsbereich, insbesondere in der Psychiatrie und der Palliativmedizin.“ Es heißt nicht: nur in den Bereichen der Psychiatrie und der Palliativmedizin. Es ist Ihr politischer Wille, Frau Lompscher, dass durch jede Krankenhausleitung wieder Raucherräume eingerichtet werden können, jeder Chefarzt kann für sich selber und für andere Räume zum Rauchen ausweisen. Das ist eine falsche Politik, ein falsches Signal ! Das sind die Dinge, die im Gesetzentwurf falsch sind. Aber ich möchte auch über die Bereiche reden, die nicht im Berliner Gesetzentwurf stehen aber zu einem umfassenden Nichtraucher/-innenschutz gehören: Qualmfreie Kinderspielplätze: Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind 10 Kinderspielplätze untersucht worden. Das Ergebnis: Es wird auf den Spielplätzen gequalmt, was die Lunge hergibt, und es liegen massenhaft Kippen – sozusagen – für die Kinder bereit. Der Giftnotruf Berlin befasst sich über 260 Mal im Jahr mit der Frage der Vergiftung durch das Verschlucken von Zigaretten/Kippen bei Kindern bis zu 6 Jahren! Dabei wären qualmfreie Kinderspielplätze so einfach zu regeln für ganz Berlin, Frau Lompscher – mit der Kollegin Stadtentwicklungssenatorin zusammen. Z. B. das Grünanlagengesetz bekäme in § 6 eine Ziffer mehr, und die würde lauten:(6) “ Das Rauchen auf und in der näheren Umgebung von Kinderspielplätzen ist verboten“ – und fertig. Ich weiß, eigentlich sind die Bezirke zuständig, aber sie könnten ja auch mal unterstützt werden. Und es gibt zusätzlich noch viele Orte in Berlin, wo gar nichts geregelt ist: Wie sieht es mit dem Schutz aus in den Hotels der Stadt, den Bierzelten, den Einkaufszentren, dem öffentlichen Verkehr der Schifffahrt und der Flughäfen in Berlin? Der Nichtraucher/-innenschutz ist so löchrig wie eine Käse, und die von Ihnen an dieser Stelle als Argument genannte „Einheitlichkeit“ mit den anderen Bundesländern stimmt erstens nicht – und ist aus Berliner Sicht nichts wert, wenn dadurch der Schutz der Berliner/-innen geringer wird! Überprüfung bzw. Einhaltung des Nichtraucher/ -innenschutzes: Auch darüber müssen wir uns hier unterhalten. Die schöne neue Welt aufschreiben und dann niemanden haben, der diese auch überprüft, das ist politischer Unsinn! Die Polizei wird für den Nichtraucher/ -innenschutz keine extra Streife gehen können. Da bleiben die bezirklichen Ordnungsämter und die haben entweder um 20.00 Uhr Feierabend oder nicht genügend Personal für Schichtdienst. Fazit: Das ist nicht das, Frau Senatorin, was von Ihnen zu Beginn des Jahres versprochen wurde, ein mutiger Schritt. Es ist ein löchriges Gesetz mit falschen Signalen, und es ist nicht umfassend, vor allem nicht, was die Kleinsten in unserer Gesellschaft betrifft. Viele Organisationen und Menschen in unsere Stadt sind weiter beim umfassenden Schutz als Sie, z. B. die Vivantes-Kliniken, die in allen ihren Häusern bis 2008 komplett rauchfrei sind. Und auch viele Sportvereine, die von sich aus das Rauchverbot auf ihren Anlagen ausgesprochen haben. Es wäre schön, Frau Senatorin, wenn Sie mit der Berliner Bevölkerung in Sachen Nichtraucher/-innenschutz Schritt halten würden – wenn es denn zum mutigen Schritt nicht reicht !