Schriftliche Anfrage von Filiz Keküllüoglu-Abdurazak, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Antwort von der Bezirksbürgermeisterin:

Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

1. Welche Schwerpunkte hat das Diversity-Team in Bezug auf diversitätssensible Öffnung und Abbau von diskriminierenden Ausschlussmechanismen innerhalb der Bezirksverwaltung – insbesondere bzgl. der Qualifizierung von Bezirksamt-Mitarbeitenden sowie bei Neuanstellungen – in der gegenwärtigen Legislaturperiode gelegt? Wie bewertet das Bezirksamt die Umsetzung seiner eigenen Schwerpunkte?

Seit Anfang 2019 wurde in alle Anforderungsprofile die Diversity-Kompetenz aufgenommen. Dafür wurde der Musterkriterienkatalog als Arbeitshilfe um die im Jugendamt entwickelten Operationalisierungen (erwartetes zu beobachtendes Verhalten) ergänzt. Mit Hilfe dieses Kataloges entstehen im gesamten Bezirksamt Anforderungsprofile mit vergleichbaren Kriterien, die dann auch Grundlage für die jeweilige Gestaltung der Auswahlverfahren sind. Die Auswahlgespräche finden nach einem einheitlichen Standard in strukturierter (am Anforderungsprofil ausgerichteter) Form statt. Abhängig von der Höhe der Gewichtung im Anforderungsprofil wird die Diversity-Kompetenz im Auswahlgespräch geprüft. Schulungen der Beschäftigten erfolgen in der Verantwortung der Ämter und Serviceeinheiten. Das Fortbildungsmanagement des Bezirksamtes bietet regelmäßig die Zusammenarbeit mit der Verwaltungsakademie Berlin oder der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung an.

2. Welche Vorhaben hat das Bezirksamt bezüglich der diversitätssensiblen Zusammensetzung des Personals auf allen Hierarchieebenen der Bezirksverwaltung?

In den Auswahlverfahren achtet das Bezirksamt auf die Einhaltung des AGG. Entweder ist die Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zur Besetzung einer Planstelle für Beamt*innen erforderlich oder die Vorgabe der Entgeltordnung ist der Maßstab für die Eingruppierung zur Stellenbesetzung mit einer/einem Tarifbeschäftigten. Die diversitätssensible Zusammensetzung ist den Auswahlverantwortlichen sehr wichtig. Als rechtliche Anforderung zählt dabei stets die Auswahl der/des Besten nach Eignung, Befähigung und Leistung. Besteht Spielraum bei der Auswahlentscheidung, dann wird durchaus auf die Zusammensetzung der jeweiligen Organisation geschaut. In der Regel wird die Auswahlentscheidung nach den Standards für Auswahlverfahren durch ein Assessorengremium besprochen. Die Beschäftigtenvertretungen sind jeweils eingebunden und nehmen auch an den Auswahlgesprächen teil.

3. Bei der Beantwortung der mündlichen Anfrage DS/0538/V) hat das Bezirksamt angegeben, dass es „weiterhin angestrebt, den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu erhöhen“. Welche konkreten Maßnahmen und Konzepte wurden seitdem zur Einstellung insbesondere von Menschen mit Rassismuserfahrung erarbeitet, umgesetzt und mit welchem Erfolg?

Ergänzend zur Beantwortung der Frage 2 kann hier noch ergänzt werden, dass das Bezirksamt Bewerber*innen mit Migrationshintergrund in der Ausschreibung ermutigt, sich zu bewerben. Seit vielen Jahren haben bis zur Hälfte der eingestellten Auszubildenden einen Migrationshintergrund.

4. Das Diversity-Landesprogramm wurde im September 2020 vom Senat verabschiedet und verfolgt u.a. das Ziel, dezentrale sogenannte „Diversity- Prozesse“ zu fördern und auszubauen.
a) Was versteht das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg konkret unter „Diversity-Prozesse“ bezogen auf die eigene Verwaltung und wie bewertet es das Diversity-
Landesprogramm?

Das Bezirksamt hat sich von 2018-2019 sehr aktiv mit zwei Vertreter*innen, die mit Beschluss des Rats der Bürgermeister alle Bezirksämter vertraten, an der Erstellung des Leitbildes des Landes beteiligt. Das Diversity-Landesprogramm ist breit aufgestellt und wird aus Sicht des Bezirksamtes sehr engagiert durch die Vertreter*innen des Senats gesteuert. Unter Diversity-Prozess versteht das Bezirksamt einen ganzheitlichen Organisationsentwicklungsansatz auf das Bezirksamt, vor allem aber auf das konkrete Amt bezogen. Aufbauend auf die vorhandenen Strukturen und die Kultur werden Ziele der Entwicklung formuliert und sie sind dann in Verantwortung der Führungskräfte in der Erreichung zu steuern. Das kann sich auf die fachliche Entwicklung genauso beziehen wie auf die Personalentwicklung selbst. Modell im Bezirksamt ist hier das Jugendamt, das einen über 15-jährigen Entwicklungsprozess mit beachtlichen Erfolgen vorzuweisen hat und das Logo der „Charta der Vielfalt“ auf dem Kopfbogen veröffentlicht.

b) Inwieweit war das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in den Prozess der Erarbeitung des Landesprogramms einbezogen? Welche Arbeitsgruppen des Bezirksamts haben an welchen Treffen wann teilgenommen und in welcher Weise haben sie an der Erarbeitung mitgewirkt?

Auch in den vom Senat initiierten landesweiten Diskussionen zu verschiedensten Themen des Diversity-Landesprogramms hat sich das Bezirksamt mehrfach beteiligt.

• „Fachrunde Personalgewinnung“ (Januar 2019, Einladung über die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung)
• Entstehung des Netzwerks der Bezirklichen Ansprechpartner*innen (August 2018, Einladung über die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und
Antidiskriminierung)
• Fachforum „Diskriminierungsfreie und gleichstellungsorientierte Personalbeurteilung“ (November 2018, Einladung über Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung)
• Unterstützung der Arbeit der Integrationslots*innen in den Ämtern des Bezirksamtes (2019 über Fachnetzwerk im Bezirksamt)
• diversityorientierte Personalentwicklung (Herbst 2019, Einladung über die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung)
• Fachzirkel zur Vorbereitung einer Rahmendienstvereinbarung AGG (Dez. 2019, Einladung über Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung)

c) Inwiefern hat das Bezirksamt Konzepte zur Umsetzung der im Landesprogramm formulierten Maßnahmen binnen drei Jahren – dies ist der vom Senat vorgegebene Zeitraum– ein Konzept / Zeit-Maßnahmen-Plan erarbeitet? (Bitte ggf. das Kleine Anfrage Eingang vom 08.10.2020 Konzept der Beantwortung der vorliegenden Schriftlichen Anfragen beifügen.)

Das Bezirksamt hat Ende 2019 mit der Erarbeitung eines Konzeptes begonnen. Durch die Pandemie haben seit März 2020 keine Treffen der Arbeitsgruppe mehr stattgefunden. Durch die entstandene Situation der höheren Arbeitsbelastung während der Pandemie konnte die konzeptionelle Arbeit noch nicht fortgesetzt werden.

d) Ab wann wird es welche Schulungen für Mitarbeitende welcher Hierarchieebene des Bezirksamtes im Rahmen dieses Landesprogramms geben? Wer wird diese Schulungen durchführen?

Diversity-Schulungen finden seit 15 Jahren vom Bezirksamt organisiert statt. Gestartet wurde mit Schulungen für die Spitzenführungskräfte und andere Führungskräfte. Das komplette Jugendamt ist im Rahmen des Entwicklungsprozesses geschult. Die Verwaltungsakademie und die Landestelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung bietet Kurse zur Einzelanmeldung an. Außerdem erhält das Bezirksamt Unterstützung von der Verwaltungsakademie für die Planung und Finanzierung von Inhouseschulungen. Die Dozent*innen werden von der Verwaltungsakademie und der Landesstelle fachlich versiert ausgewählt. Es gibt dazu bereits vieljährige Erfahrungen. Auch die Ausbildungen der Ansprechpartner*innen der Dienststellen sind über diesen Weg sehr erfolgreich verlaufen.

e) Ab wann wird die Stelle für die*/ den Diversity-Beauftragte*n des Bezirks ausgeschrieben? Welche Aufgaben werden der Beauftragte bezüglich der Umsetzung des Landesprogramms übertragen?

Die Ausschreibung einer Stelle Diversity-Beauftragte/r ist nach Schaffung der personalwirtschaftlichen Voraussetzungen 2021 geplant. Dieser auszuwählenden Person wird u.a. die konzeptionelle Arbeit für die Umsetzung des Landesprogramms im Bezirksamt und die steuernde Aufgabe zur Umsetzung der Bezirkskonzeption obliegen.

f) Wie viel bezirkliche Mittel stehen dem Bezirksamt zur Umsetzung des Landesprogramms zur Verfügung? Wie viel Mittel wird der Senat zur Umsetzung des Landesprogramms für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ab welchen Zeitpunkt zur Verfügung stellen?
Wie viele Mittel dafür vom Senat zur Verfügung gestellt werden, entzieht sich noch unserer Kenntnis.

5. Inwieweit war das Bezirksamt in den Prozess der Novellierung des Partizipations und Integrationsgesetzes (PartIntG, zukünftig PartMigG) einbezogen?
a) Welche Arbeitsgruppen des Bezirksamts haben an welchen Treffen wann teilgenommen und in welcher Weise haben sie an der Novellierung mitgewirkt?

Die Integrationsbeauftragte im Büro der Bezirksbürgermeisterin hat seit 2018 regelmäßig an den Treffen der Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration zur Novellierung des PartIntG teilgenommen. Die Novellierung des PartIntG war sowohl Thema der alle 2 Monate stattfindenden Sitzung der bezirklichen Integrationsbeauftragten sowie Extra-Sitzungen bei der Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration; pandemiebedingt im Jahr 2020 via Telefonkonferenz.
Die Bezirksbürgermeisterin wurde von Katarina Niewiedzial, Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration, schriftlich über den Stand der Novellierung des PartIntG informiert.
Einzelne Mitglieder des Beirats für Integration und Migration Friedrichshain-Kreuzberg sind von Beginn an Teil der Arbeitsgruppen bei der Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration. Diese haben den Diskussionstand in den Beirat getragen bzw. Anmerkungen zurückgespielt. Im August 2020 gab es eine Extra-Sitzung des Beirats zur Novellierung des PartIntG.
Für die November-Sitzung des Integrationsausschusses ist eine gemeinsame Sitzung mit dem Beirat geplant, in der Katarina Niewiedzial, Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration, teilnehmen wird, um den aktuellen Stand zur Novellierung des PartIntg zu präsentieren und in den Austausch zu gehen.

b) Wie bewertet das Bezirksamt das Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG)?

Das PartIntG von 2010 hat das Ziel, ein Gesetz zur Förderung der Teilhabe und Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte zu sein. Bisher erfuhr die Umsetzung zu wenig Nachdruck. U.a. spiegelt die Diversität der Berliner Stadtgesellschaft sich nicht im Personal der Verwaltung wieder. Deshalb bewertet das Bezirksamt eine Veränderung bzw. Novellierung des Gesetzes als notwendigen und wichtigen Schritt. Wichtig ist, konkrete Maßnahmen für die Umsetzung zu benennen sowie die Zielsetzung Repräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte unter den Beschäftigten des Landes Berlin zu erhöhen und messbar zu machen, da sich nur so positive Maßnahmen zur Förderung von Menschen mit Migrationsgeschichte ableiten lassen. Das Ziel des PartMigG, dass Berlinerinnen und Berliner mit Migrationsgeschichte gleichberechtigten Zugang zum Staatsdienst und wichtigen Entscheidungspositionen erhalten, bewertet das Bezirksamt als unabdingbar und
unterstützenswert.
Wichtig ist, neben den Senatsverwaltungen ebenfalls die Bezirke frühzeitig mit einzubeziehen. Da die Auswirkungen auf die Organisationen des Bezirksamtes in Bezug auf die Personalgewinnung und -entwicklung immens sein werden.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Herrmann

PDF zur Drucksache