Auch der Stachel trauert um Riza Baran. In Erinnerung an sein langjähriges Wirken veröffentlichen wir erneut ein Portrait, das im Mai 2013 über Riza erschienen ist.
„Seit 50 Jahren in Deutschland: Riza Baran“
Alternative Liste, Ausländerbeirat, BVV-Fraktion, Abgeordnetenhaus: Die Liste von Riza Barans politischen Aktivitäten ist lang.
Wir gehen weit zurück, in die Zeit der Wiederaufbau-BRD der Ära Adenauer. Riza war noch keine 20 und wollte im Ausland studieren, es sollte Deutschland sein. Deutschland brauchte Arbeitskräfte und warb über Vermittlungsstellen der Arbeitsämter junge Menschen aus dem Ausland an. Aber es gab Bedingungen: Sie sollten in der Regel nicht älter als 35 sein und mussten sich zuvor einer medizinischen Untersuchung unterziehen.
Nachdem es über diese Art der Anwerbung zunächst nicht geklappt hatte, begann Riza in Ankara sein Studium, Mathe und Physik, wo er für drei Semester bleiben sollte.
Dann bestand er die Aufnahmeprüfung für ein Studium in Deutschland, aus zahllosen Bewerbern wurde er als einer von 40 Studierenden ausgewählt So kam er nach zweitägiger Zugfahrt am 20. März 1963 in München an.
Nach einer Nacht im Hotel war das halbe Stipendiatsgeld aufgebraucht, das Goethe-Institut half aus, und er konnte zunächst einmal in einem winzigen Nest in der Nähe von Rosenheim vier Monate lang deutsch pauken.
Denn das war die Voraussetzung, um an der TU München sein Studium fortzusetzen, das er 1968 in Hannover mit einem Diplom als Bauingenieur abschloss.
Ein unermüdlicher Kämpfer
Sprache ist eines von Rizas Kernthemen: Seit über 40 Jahren kämpft er für Akzeptanz und Gleichberechtigung, und sprachliche Barrieren sind eine quälende Hürde. Das kennt er aus seinen eigenen Anfängen, als er seine Anliegen nicht vermitteln konnte, und selbst nicht verstand, was man von ihm wollte.
1970 kam Riza nach Berlin, Neukölln wurde seine Heimat, hier hat er über 30 Jahre als Berufsschullehrer gewirkt. Und er war von Beginn an politisch aktiv. Es ging ihm immer darum, die soziale Lage der Migrant*innen zu verbessern. Im West-Berlin der 70er Jahre, in dem die Spuren des Weltkriegs noch überall sichtbar waren, gründeten sie ein Sanierungsbüro in der Dresdener Straße, in Zusammenarbeit mit den K-Gruppen begannen sie, die Migrant*innen zu organisieren. 1975 kam in der Böckhstraße der „Kultur-und Hilfsverein“ hinzu, der sich vorwiegend mit den Problemen der Kurden beschäftigte.
Viel hat sich getan seither, meint Riza. In den Anfängen hatten sie noch mit sehr vielen Vorurteilen zu kämpfen. Da war es schon schwierig, überhaupt eine Wohnung zu finden. Durch die kontinuierliche Arbeit funktioniert das Miteinander heute viel besser, und sie konnten die Migrationsthemen überall nach vorne bringen: Toleranz, Frauenrechte und Basisdemokratie nennt Riza an vorderster Stelle, und er betont, dass die Grünen mittlerweile die Nummer 2 in der Wählergunst der MigrantInnen sind.
Der Blick geht nach vorne
Vieles könnte man noch erzählen: Dass er 1995 als grüner Direktkandidat ins Abgeordnetenhaus einzog, dass er 2004 den Migrationsrat Berlin-Brandenburg mitbegründete, in dem der weiterhin täglich aktiv ist. Und dass er in der Kurdenfrage für Verhandlungen und eine politische Lösung eintritt, in einem gemeinsamen Staat. Denn die Zeit der Nationalstaaten ist vorbei, sagt Riza.
Das Wichtigste ist ihm aber, wenn er angesichts der Feiern den fragenden Blicken begegnet – und dabei blitzen seine Augen:
„Freundinnen und Freunde: Ihr werdet mich nicht so leicht los!“
Henry Arnold für den Stachel 05/2013.