Könnte das Konzept der „Sanctuary-“ oder „Solidarity City“, bislang vor allem in den USA beheimatet, ein Modell für Städte in der Bundesrepublik und insbesondere Berlin sein? Im KV Xhain wurde hierzu ein Antrag für die LDK im November geschrieben. Gemeinsam mit dem Netzwerk Solidarity City Berlin wurde das Konzept und die Forderungen des Antrags auf der letzten BG diskutiert.
Im August letzten Jahres unterschrieb Bruce Rauner, Gouverneur von Illinois, ein Gesetz, welches der Polizei des U.S. Bundesstaates offiziell die Kooperation mit den Einwanderungsbehörden untersagt. Auch dürfen Polizei und lokale Behörden aufgrund des „TRUST Act“ bei Personenkontrollen nun nicht mehr nach dem Aufenthaltsstatus fragen. Es ist ein Gesetz vor allem zum Schutz der ca. 500.000 Menschen, die ohne legalen Aufenthaltsstatus im Bundesstaat leben. Damit wurde Illinois Teil eines Netzwerks sogenannter „Sanctuary“ Staaten, Kommunen und Städte in Mittel- und Nordamerika, aber auch in Europa, welche legale, behördliche Maßnahmen zum Schutz ihrer durch Bundesgesetze illegalisierten Bewohner*innen ergriffen haben. Je nach lokaler Gesetzeslage sehen diese Maßnahmen anders aus. So vergeben etwa San Francisco (seit 2007) oder die Stadt New York (seit 2015) einen kommunalen Personalausweis, der unabhängig vom Aufenthaltsstatus einen legalen Zugang zu Behörden, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen ermöglicht.
Stadt der Zuflucht
In Deutschland ist das Konzept der „Sanctuary City“ (Stadt der Zuflucht) noch eher unbekannt. Dabei hätte es großes Potential zu einem Beitrag für eine menschenwürdige und antirassistische Migrationspolitik. Deutsche Städte und Kommunen können zum Beispiel die teilweise Aussetzung von Abschiebungen („Senatorenregelung“ in Hamburg), die Unterstützung beim Familiennachzug von Geflüchteten (Kampagne „50ausIdomeni“ in Osnabrück), oder sogar die Verleihung von humanitären Visa durch kommunale Ausländerbehörden (nach §22 Abs.1 AufenthG bereits heute möglich), anordnen.
Unter dem Namen „Solidarity City“ versuchen Aktivist*innen und Initiativen seit einigen Jahren eine erfolgreiche Übersetzung des Konzeptes in den europäischen Kontext. Hier sind die Aufgaben zwischen Bundes- und lokalen Behörden anders verteilt als etwa in den USA. Für Städte und Kommunen gilt es daher, legale Spielräume auszuloten und wenn möglich zu erweitern. Konkrete, mit den Betroffenen solidarische Maßnahmen bieten die Gelegenheit, den Fokus der derzeitigen Debatte um Migration auf die Inhalte zu lenken, die für „illegal“ oder mit prekärem Status in Deutschland lebende Menschen entscheidend sind: Gleiche Bürger*innenrechte, Schutz vor Verfolgung hier und anderswo sowie das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und Zugang zu öffentlicher Infrastruktur.
Eine kommunale Alternative
Dass „Solidarity Cities“ so zentrale Politikbereiche wie Bürger*innenrechte und Migration auf der lokalen Verwaltungsebene statt auf Bundesebene verhandeln, kann ohne Frage als Krise progressiver Politik auf Bundesebene verstanden werden. Der bewusst lokale Bezugspunkt bietet die Chance nationalistische Ressentiments z.B. der AfD rechts liegen zu lassen und stattdessen konkrete Solidarität mit den eigenen Nachbar*innen zu fördern. Frei nach Angela Merkel: „Berliner*in ist jede, die in Berlin lebt!“. Eine grüne „Stadt der Solidarität“, oder ein grüner „Bezirk der Zuflucht“ müssten allerdings mehr umfassen als eine symbolische Selbstbezeichnung.
Sie müsste eine konkrete und selbstbewusst formulierte Alternative sein. Gegenüber der Politik der Bundesregierung, ihrem Heimatministerium, aber auch jenen, die dem Wahlerfolg der AfD die Übernahme ihrer falschen Argumente entgegensetzen wollen.
Konrad Wolf, Bezirksgruppe Friedrichshain-Kreuzberg