SA/122/IV
Schriftliche Anfrage
Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt,
1. Was sind die häufigsten Sondernutzungen von Straßenland, die das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg genehmigt?
Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wird bei der Straßenverkehrsbehörde als häufigste Sondernutzung von öffentlichem Straßenland das Herausstellen von Tischen und Stühlen beantragt und genehmigt.
2. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen regeln die Sondernutzungen von Straßenland im Bezirk?
Das Herausstellen von Gegenständen und Objekten, die nicht Verkehrszwecken dienen, stellt einen Sachverhalt dar, der grundsätzlich unter das Verbot des § 32 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung fällt. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, Gegenstände auf Straßen zu bringen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde kann von diesem grundsätzlichen Verbot gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 8 StVO Ausnahmen zulassen. Eine solche Ausnahmegenehmigung darf aber nicht erteilt werden, wenn ihr eine andere Rechtsvorschrift entgegensteht. Maßgeblich für die übermäßige Straßenbenutzung, die gleichzeitig eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung darstellt, ist das Berliner Straßengesetz (BerlStrG).
Die Sondernutzungserlaubnis soll gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BerlStrG in der Regel erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche lnteressen der Sondernutzung nicht entgegenstehen oder ihnen durch Nebenbestimmungen zur Erlaubnis entsprochen werden kann.
3. Inwieweit hat der Bezirk bei diesen Rahmenbedingungen eine Entscheidungskompetenz, wenn es darum geht, selbst politische Schwerpunkte zu setzen?
Der Bezirk prüft insbesondere, ob öffentliche Interessen der Nutzung entgegenstehen. Unter öffentlichen Interessen sind schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit zu verstehen. Im Zusammenhang mit der Straßenlandsondernutzung müssen diese Interessen straßenbezogen
sein. Zu beachten sind Sicherheitsaspekte (z.B. sicheres Passieren von Fußgängern, Erleichterung der Querung von Straßen) und stadtplanerische sowie allgemeine Ordnungsprinzipien (Beachtung der sinnvollen, baulichen Gliederung der Gehwege in Laufflächen und Ober- sowie Unterstreifen).
Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat das Bezirksamt am 12.06.2012 auf Initiative des Bezirkstadtrates für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport im
Rahmen einer BA-Vorlage beschlossen, in welchem Umfang zukünftige Sondernutzungen zugelassen werden sollen. Dieses einheitliche Konzept hat eine Selbstbindung der Verwaltung zur Folge und zieht eine Gleichbehandlung der Anträge auf Sondernutzung nach sich.
Sondernutzungserlaubnisse werden insbesondere für Schankvorgärten von Gaststättenbetrieben unter Beteiligung der zuständigen Polizeiabschnitte erteilt. In diesem Beteiligungsverfahren prüfte die Polizei die jeweiligen Vorgänge bislang hauptsächlich nur nach Aktenlage, so dass örtliche Besonderheiten nicht immer berücksichtigt wurden. Auch wurden
bisher zum Teil großzügig Flächen genehmigt, um vor dem Hintergrund gegebener Leerstände bzw. wirtschaftlich problematischer Situationen die Attraktivität gering frequentierter Kieze zu erhöhen.
In vielen Fällen hat diese Praxis dazu geführt, dass Sondernutzungen
zu Gehwegverengungen zu Lasten von Passanten führten oder sich Erlaubnisse für das Herausstellen von Tischen und Stühlen auch auf Gehwegvorstreckungen erstreckte, was insbesondere Kindern das Queren von Straßen zur Erreichung von Schulen oder Kinderspielplätzen erschwert.
Der Außendienst verfügt über besondere Ortskenntnisse (etwa über vorhandene Hindernisse für Passanten auf Gehwegen). Deshalb wird die Erteilung künftig weiterhin unter Beteiligung der Polizei erfolgen, doch wird den Anträgen grundsätzlich eine Einschätzung des Außendienstes des Ordnungsamtes auf der Grundlage der in der Anlage aufgeführten Prüfungskriterien beigefügt. Die Prüfkriterien entsprechen den Intentionen des Berliner Straßengesetzes.
Sie formulieren die öffentlichen Interessen innerhalb des der Exekutive eingeräumten Gestaltungsspielraums. Die Anwendung der Kriterien erfolgt sowohl bei Neuanträgen als auch bei der Verlängerung der Erlaubnisse von Bestandsnutzungen. Die Anwendung wird insbesondere bei letztgenannten
Fällen zu einer Reduzierung bisher genehmigter Flächennutzungen führen. Sämtliche gültigen Erlaubnisse sind befristet. Sie bleiben noch bis zu ihrem Ablauf grundsätzlich unberührt.
Die Prüfungskriterien greifen in der Regel bei noch nicht beschiedenen sowie künftig eingehenden Neu- und Verlängerungsanträgen. Sollte es durch die Anwendung der neuen Prüfkriterien, aufgrund der unterschiedlichen Laufzeiten von Erlaubnissen bzw. bei Neuanträgen, zu „Härtefällen“ (z.B. zu ungleichen Voraussetzungen konkurrierender Gewerbetreibender) kommen, so können in solchen Ausnahmefällen nach sachgemäßer Einzelfallprüfung auch Erlaubnisse nach der „alten“ Regelung bis zur zeitlichen Angleichung an die neue
Beurteilungsgrundsätze erteilt werden.
4. Wie hat sich die Präzisierung der Prüfkriterien für die Genehmigung von Sondernutzungen durch das Bezirksamt im vergangenen Jahr bisher ausgewirkt und wie viele Genehmigungen wurden nach diesen Kriterien bereits vergeben?
Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 25.07.2012 in seinem Beschluss VG 1 L 173.12 den Bezirksamtsbeschluss vom 12.06.2012 mit BA-Vorlage Nr. IV_058_2012 für rechtskonform erachtet. Im Hinblick auf diese Gerichtsentscheidung wurden in 2012 bereits erhobene Widersprüche
gegen Bescheide, die unter Beachtung der Prüfkriterien erlassen worden waren, zurückgezogen. Nach dem 12.6.2012 wurden unter Anwendung der Prüfkriterien bis einschl. 04.04.2013 insgesamt 516 Ausnahmegenehmigungen für das Herausstellen von Tischen und Stühlen auf öffentliches Straßenland erteilt.
5. Wie häufig werden Kontrollen bezüglich der Einhaltung der genehmigten Sondernutzungen durchgeführt?
Im Rahmen der Kapazitäten des Außendienstes wird die Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes kontrolliert.
6. Wie geht das Ordnungsamt in diesem Zusammenhang bei Verstößen vor?
Verstöße gegen das Berliner Straßengesetz werden vom Außendienst zur Anzeige gebracht und im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens geahndet.
7. Welche Bußgelder werden bzw. können verhängt werden und gibt es hierfür einen öffentlich einsehbaren Bußgeldkatalog?
Das Berliner Straßengesetz regelt sowohl die vorsätzliche als auch fahrlässige Begehung einer Ordnungswidrigkeit. Das Gesetz sieht eine Geldbuße bis zu 10.000,00 € vor. Das festzusetzende Bußgeld ist eine Einzelfallentscheidung, die die Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes mitberücksichtigen muss. Ein Bußgeldkatalog zum Berliner Straßengesetz existiert nicht. In der Regel werden etwa bei Flächenüberschreitungen bis 6 m² bei erstmaligem Verstoß 200.- € erhoben, bei höheren Überschreitungen 500.-€.
8. Wie viele Beschwerden gab es in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Sondernutzung von Straßenland?
Jahr 2010: 112 Beschwerden
Jahr 2011: 128 Beschwerden
Jahr 2012: 164 Beschwerden
9. Wie setzt das Bezirksamt heizpilzfreie Gehwege durch?
Auf Initiative des Bezirkstadtrates für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport hat das Bezirksamt am 12.06.2012 beschlossen, in Friedrichshain-Kreuzberg für sog. Heizpilze auf öffentlichem Straßenland keine Erlaubnisse zu erteilen. So lehnte das Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg auch mit Bescheid vom 12.03.2009 die Erteilung der Erlaubnis für das Aufstellen eines Gasheizstrahlers auf öffentlichem Straßenland ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Bescheid vom 08.04.2009 zurück. Das Verwaltungsgericht wies
die erhobene Klage ab.
Letztinstanzlich hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 03.11.2011 die Berufung zurückgewiesen. Diese Rechtslage ist den astronomiebetreibern im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bekannt und wird von ihnen grundsätzlich beachtet.
10. Welche rechtlichen und vertraglichen Regelungen werden dazu genutzt?
Wie bereits in Frage 2 erwähnt soll die Sondernutzungserlaubnis gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BerlStrG in der Regel erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche lnteressen der Sondernutzung nicht entgegenstehen oder ihnen durch Nebenbestimmungen zur Erlaubnis entsprochen werden kann. Mit dem Klimaschutz steht der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ein berücksichtigungsfähiger, überwiegender öffentlicher Belang entgegen.
11. Wie kontrolliert das Bezirksamt, inwieweit die Gehwege heizpilzfrei sind?
Im Rahmen der Kapazitäten des Außendienstes wird das Unterbleiben des Aufstellens von sog. Heizpilzen auf öffentlichem Straßenland kontrolliert.
12. Wie viele Wochenmärkte gibt’s es im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und
an welchen Standorten befinden sie sich?
13. Welche dieser Wochenmärkte befinden sich auf öffentlichem Straßenland?
Es gibt insgesamt 10 Wochenmärkte, die sich alle auf öffentlichem Straßenland befinden.
Die Standorte sind:
1. Boxhagener Platz
2. Karl-Marx-Allee vor Kosmos
3. Koppenstraße
4. Mehringplatz
5. Lausitzer Platz
6. Chamissoplatz
7. Hohenstaufenplatz/Schönleinstraße
8. Hermann-Stöhr-Platz
9. Eisenbahnstraße vor Markthalle
10. Südstern
14. Welche rechtlichen und vertraglichen Regelungen werden bei
Antragsstellung, Prüfung und Genehmigung angewendet?
Die Zustimmung des Bezirksamtes ist erforderlich. Die Prüfung erfolgt nach dem Berliner Straßengesetz und der Straßenverkehrsordnung.
15. Wie kontrolliert das Bezirksamt, inwieweit die vereinbarten Regeln
eingehalten werden?
Im Rahmen der Kapazitäten des Außendienstes wird die Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes und die Einhaltung von Nebenbestimmungen kontrolliert.
16. Wie könnte das Bezirksamt in seiner Genehmigungspraxis erreichen, dass statt Plastiktüten nur noch Papiertüten auf Wochenmärkten von den
HändlerInnen an die Kundschaft gegeben werden?
Auf den sog. Ökomärkten ist es bereits gängige Praxis, dass die Händler ihren Kunden die Waren in Verpackungen aus Papier aushändigen. Viele Kunden verzichten aus eigenem Antrieb überhaupt auf ein Eintüten der Produkte, sondern verwenden für den Transport mitgebrachte Taschen und Körbe. Diese Verfahrensweise trägt dem Gedanken an Umweltschutz Rechnung und ist gemeinsame Zielsetzung sowohl von Händlern und Kunden. Dieses gemeinsame Bestreben ist jedoch administrativ nur schwer anzuordnen.
In Betracht käme eine entsprechende Auflage in den Genehmigungen. Es sind jedoch nur solche Auflagen zulässig und durchsetzbar, ohne deren Aufnahme die Genehmigung rechtswidrig wäre. Eine Auflage, nur noch Papiertüten zu verwenden, ist im Hinblick auf die Regelungen des § 36 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz rechtlich leicht angreifbar.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Beckers
Friedrichshain-Kreuzberg, den 18.04.2013
Bündnis 90/Die Grünen
Fragesteller*in: Christian Honnens