Der Begriff „Schwammstadt“ hat mittlerweile seinen festen Platz im öffentlichen Diskurs gefunden. Das Konzept ist eine wichtige Maßnahme im urbanen Raum, um den Herausforderungen der Klimakrise wirkungsvoll zu begegnen. Die Veranstaltung vergangenen Dienstag zum Thema „Vision Schwammstadt – Über Leben in der Klimakrise“ zeigte, welche Potenziale das Konzept für Berlin birgt und im Bezirk bereits konkrete Formen annimmt. Die Veranstaltung beleuchtete dabei vor allem Regenwasser als wertvolle Ressource.
Dr. Darla Nickel, Leiterin der Regenwasseragentur, stellte eben diese vor und betonte die Rolle, die eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung einnimmt. Die Agentur berät verschiedene Akteure und leistet wichtige Öffentlichkeitsarbeit. Ihre Mission ist es, die Vorteile einer Schwammstadt zu kommunizieren und umzusetzen. Diese umfassen:
- Stützung des lokalen Wasserhaushalts
- Versorgung der Stadtvegetation und Hitzevorsorge
- Unterstützung von Kleinstgewässern
- Überflutungsvorsorge und Gewässerschutz durch Kanalentlastung
- Förderung der Artenvielfalt
- Verbesserung der Aufenthaltsqualität und Erlebbarkeit von Wasser in der Stadt
Dr. Nickel präsentierte dabei konkrete, niedrigschwellige Lösungen wie Entsiegelungsprojekte, die Vergrößerung und Bepflanzung von Baumscheiben, die leichte Ausmulung und Bepflanzung von Grünstreifen, die wasserwirtschaftliche Optimierung durch „grüne Gullys“ sowie Nachbarschaftsinitiativen wie Bürgersteig-Regentonnen.
Beispielprojekte zur Entsiegelung
Annika Gerold, Bezirksstadträtin für Verkehr, Grünflächen, Ordnung und Umwelt, stellte Beispielprojekte aus dem Bezirk vor. Dazu gehören unter anderem die Entsiegelung ehemaliger Stellplätze im Graefekiez, eine Erneuerung des Asphaltwegs am Carl-Herz-Ufer mit luft- und wasserdurchlässigem Material sowie die Erweiterung von Baumscheiben in der Straßmannstraße.
Allein im Jahr 2023 wurden in Friedrichshain-Kreuzberg insgesamt 5.240 Quadratmeter entsiegelt – ein bedeutender Schritt für die Umwelt und das Bezirk- und Stadtklima.
Herausforderungen und politische Rahmenbedingungen
Julian Schwarze (MdA), Sprecher für Stadtentwicklung, Tourismus und Clubkultur, thematisierte die zahlreichen Herausforderungen und Rückschläge, mit denen die Pläne zur Schwammstadt konfrontiert sind. Besonders kritisch sieht er die Überlegung des aktuellen Senats, Ausgleichsmaßnahmen für Versiegelungen nach Brandenburg zu verlegen. Dies wäre für Berlin katastrophal, da es den lokalen Klimaschutz und die Nachhaltigkeit massiv beeinträchtigen würde. Schwarze betonte, dass Wohnen und Bauen nicht im Widerspruch zum Klimaschutz stehen dürfen – beides muss gemeinsam funktionieren. Dafür sind neue Denkansätze notwendig.
Podiumsdiskussion und Publikumsfragen
In der anschließenden Podiumsdiskussion konnte das Publikum Fragen stellen. Ein wichtiges Thema war die begrenzte Einflussnahme auf private Flächen, die oft ungenutzt bleiben. Eine weitere Frage betraf die Notwendigkeit, monetäre Vergleiche zwischen zentraler und dezentraler Regenwasserbewirtschaftung aufzustellen. Hier betonte Dr. Nickel, dass die Stadt sich in einer experimentellen Phase befindet und mit jedem Projekt dazulernt. Berlin, insbesondere Friedrichshain-Kreuzberg, zeigt den Mut, diese neuen Ansätze auszuprobieren.
Praktische Tipps und Fördermöglichkeiten
Eine zentrale Frage aus dem Publikum drehte sich um die Nutzung von Regenwasser in der Hausverwaltung. Die Regenwasseragentur bietet hierzu Beratung an. Praktische Tipps umfassen das Speichern von Regenwasser durch Tanks oder Zisternen, die Begrünung von Hinterhöfen und die Beantragung entsprechender Fördermittel. Annika Gerold erläuterte das Hinterhofbegrünungsprogramm, das durch das Stadtteilbüro Unterstützung bietet. Bei der Installation von Regentonnen müssen jedoch bestimmte Auflagen, wie die Abschließbarkeit und ausreichende Breite des Gehwegs, beachtet werden.
Die Veranstaltung verdeutlichte, dass die Vision der Schwammstadt kein ferner Traum ist, sondern eine realistische und notwendige Antwort auf die Klimakrise. Durch gemeinsame Anstrengungen und innovative Ansätze kann Berlin zu einer zukunftsfähigen und lebenswerten Stadt werden.