DS/2013/IV Mündliche Anfrage

 

Beantwortung: Herr Panhoff

Ich frage das Bezirksamt:

1. Was hat den Bezirk bewogen in der Wrangelstraße 66 von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen?

2. Warum wurde das Vorkaufsrecht bisher nicht häufiger zur Anwendung gebracht?

3. Was wären die Voraussetzungen, um zukünftig das Vorkaufsrecht schneller und sicherer wahrzunehmen?

Nachfrage:

1. Welche Vorteile bieten Abwendungsvereinbarungen für den Bezirk und die Stadt, auch in finanzieller Hinsicht?

zu Frage 1:
Was uns bewogen hat, war das Wissen und auch die Überlegung, dass dieses Instrument
des Baugesetzbuches in den sozialen Erhaltungsgebieten große Wirkung entfalten kann
beim Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Ich glaube, ein deutliches Indiz dafür ist auch die Wahrnehmung in der Presse und auch die Reaktion in der Presse, weil das jetzt auch erstmalig gemacht wird. Das gibt es ja in keinem anderen Bezirk, wo Baustadträte anderer Couleur tätig sind.

Es ist auch ein Wunsch der BVV, das zu erproben, dem kommen wir gerne nach, Herr Jösting-Schüßler. Wir haben es ja jetzt in dem Fall auch mit einer sehr engagierten Hausgemeinschaft zu tun, die da viele Vorarbeiten auch selbst schon geleistet hat, so dass wir da an Informationen herangekommen sind, die wir auch brauchen, um so ein Vorkaufsrecht auszuüben – ich komme da nachher noch mal darauf zurück – die man jetzt auch nicht selbstverständlich in jedem Objekt vorfindet, um auch zu prüfen seitens der Wohnungsbaugesellschaft oder wem auch immer als Erwerber, ob sich das rechnen lässt und wie die konkreten Bedingungen in dem Haus dann jeweils sind.

Unterstützt hat uns auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, namentlich Senator Geisel, das soll hier nicht unerwähnt bleiben, der gesagt hat, ja, macht das, das ist richtig, jetzt auch mal Zeichen zu setzen gegen diese Form des Ausverkaufs in den Altbaugebieten und insofern glaube ich, dass wir da auch einen durchaus glaubhaften Auftritt geleistet haben gegenüber den Verkäufern und auch den künftigen Erwerbern.

Das lässt sich auch ein bisschen ablesen an deren Reaktion, die sich auch nicht zu schade waren, dem Senator zu schreiben, dass der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg ja eine sehr fragwürdige Vergangenheit hat als Hausbesetzer und solchen
Menschen kann man ja nicht trauen, aber das hat den Senator nicht weiter irritiert.

zu Frage 2:
Das liegt auch ein bisschen daran, dass sich da noch nicht die geeigneten Objekte
ergeben haben. Ich hatte schon mal berichtet im Stadtentwicklungsausschuss, dass wir verschiedene Prüfvorgänge durchgelaufen sind mit der Gewobag, aber das Problem war einfach, dass sich da verschiedene Faktoren nicht gerechnet haben. Da ist, glaube ich, auch die Landespolitik gefragt, noch mal nachzudenken, ob die Wohnungsbaugesellschaften zumindest in diesen Fällen tatsächlich gezwungen werden vom Tag 1 an, die Rendite von 4 % abzuliefern an das Land Berlin.

Das ist nicht ganz unerheblich bei der Wirtschaftlichkeit solcher Übernahmen. Ich denke, da muss wirklich dringend nachgebessert werden, also entweder, dass die Frist verlängert wird, bis dann diese Renditevorgabe erfüllt wird oder dass man sogar ganz drauf verzichtet.

zu Frage 3:
Das werde ich jetzt auch noch mal vortragen, das sind verschiedene Punkte. Zum
einen muss ich auch sagen, brauchen wir ausreichend Personal bei uns in der Verwaltung. Das ist nicht ganz einfach, so etwas vorzubereiten. Jetzt die Wrangelstraße 66 hat da einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der vergangenen Zeit stark gebunden. Wenn wir das ausüben wollen und wir haben ja nur zwei Monate Zeit, wenn also das Negativzeugnis abgefragt wird, um dann einzutreten in den Kaufvertrag bzw. das Vorkaufsrecht dann zu reklamieren, da brauchen wir entsprechende Kapazität, um das vorzubereiten. Es sind eben diese Due-Diligence-Daten, die wir brauchen, sprich Zustand des Hauses, die Mieterträge, der Zustand der Wohnungen, die Ausstattung der Wohnungen und alles, was dazugehört, sonst kriegt man das nämlich überhaupt nicht hin.

Wir brauchen auch Rahmenverträge. Das werden wir mit den Wohnungsbaugesellschaften auch noch mal besprechen, weil wir kürzere Entscheidungswege brauchen als die, die wir im Moment haben. Es sei daran erinnert, dass die Wohnungsbaugesellschaftsvorstände Prokura haben nur bis zu einem bestimmten Betrag. Alles, was darüber hinausgeht, muss durch die Aufsichtsräte genehmigt werden und dann haben Sie natürlich Verzögerungsmomente drin, die Ihnen unter Umständen die Möglichkeit nehmen, das Vorkaufsrecht innerhalb der zwei Monate auszuüben.

Wir brauchen auch ein finanzielles Polster. Das heißt, dass ein Fonds, am besten ein Fonds auf Landesebene besteht, auf den die Bezirke zurückgreifen können. Wir nehmen natürlich gerne als Bezirk auch einen eigenen Fonds entgegen, wenn man uns den finanziert, aber ich sage mal, sinnvoll wäre auf jeden Fall auf Landesebene so etwas zu haben, so dass man kurzfristig auch die Liquidität herstellen kann für den Erwerb solcher Grundstücke.

Des Weiteren kommt hinzu, komme ich auch gleich noch mal drauf, wenn es um die Abwendungsvereinbarung geht, wir müssen die Kriterien der Erhaltungsrechtsgebiete überarbeiten, denn die sind entscheidend dafür, dass wir das Vorkaufsrecht ausüben. Der ganze Zweck der Übung ist ja eigentlich, dass wir ein ganz bestimmtes Ziel erreichen, nämlich die Verdrängung der Bevölkerung zu verhindern. Das macht sich in den Erhaltungsrechtsgebieten, als Milieuschutzgebiete bezeichnet, dadurch bemerkbar, dass bestimmte Standards umgesetzt werden im baulichen Bereich und wenn die übertrieben werden, dann steigen die Mieten. Das wollen wir verhindern, aber auch die Umwandlung verhindern. Die ist ja leider durch die Umwandlungsverordnung nicht 100%ig abgewendet,
sondern da gibt es ja Lücken, die leider immer noch in Anspruch genommen werden.

Daran arbeiten wir aber auch in Absprache mit der Senatsverwaltung. Das Problem ist auch, dass noch nicht 100%ig geklärt ist, wenn jetzt eine städtische  Wohnungsbaugesellschaft als Erwerber eintritt für den Bezirk, ob das durch den Vermögensausschuss des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin gehen muss, was ungefähr mit hoher Sicherheit dazu führt, dass es nicht klappt.

Das sind einfach diese Tagesordnungen, die tagen nur zwei Stunden, dann ist Schluss. Das ist nicht wie bei uns hier im Stadtentwicklungsausschuss zum Beispiel. Die tagen zwei Stunden und was nicht beraten ist, wird vertagt, im Zweifelsfall zwei oder drei Mal. Da muss man dann auch noch mal klare Regelungen finden, dass das nicht am Ende der
Grund des Scheiterns ist.

zu Frage 4:
So, jetzt zu der Abwendungsvereinbarung: Wie gesagt, das Ziel ist eigentlich zentral
die Bevölkerung zu schützen, die Zusammensetzung der Bevölkerung zu schützen und deswegen wird das Vorkaufsrecht ausgeübt. Aber: Natürlich haben die Eigentümer, bevor man in ihr Eigentumsrecht eingreift, die Möglichkeit sich darauf einzustellen und eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben wo sie sich verpflichten, die Zielsetzung des Erhaltungsrechtsgebiets einzuhalten, d. h. keine Umwandlung vorzunehmen, keine übertriebenen Baumaßnahmen vorzunehmen und auch entsprechend bei der Belegung darauf zu achten, dass die Zusammensetzung der Bevölkerung gewahrt ist.

Das Instrument wird ja in anderen Städten erfolgreich wahrgenommen. Wir haben jetzt im Falle der Wrangelstraße 66 natürlich auch eine Abwendungsvereinbarung angeboten, das müssen wir auch, denn dieser Eingriff ins Eigentum ist nicht unerheblich. Also sieht der Gesetzgeber vor, dass wir eben dem Eigentümer die Möglichkeit geben, darauf zu reagieren und entsprechend sich selbst zu verpflichten, die Ziele des Erhaltungsrechtsgebiets umzusetzen.

Er hat uns aber mitgeteilt, dass er nicht gewillt ist, diese Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben und deswegen haben wir jetzt zum Instrument des Vorkaufsrechts gegriffen und werden jetzt abwarten müssen, wie sich das juristisch darstellt, weil wir ja in dem Fall auch durchaus, sagen wir mal, neue Wege gehen juristisch, was die Frage angeht, ob ein Haus, was eben umgewandelt ist, aber dann nicht an die Mieter verkauft werden konnte, umgewandelt bleibt, wenn alle Wohnungen, und zwar alle an einen einzigen Verkäufer gehen sollen.

Also wir sagen, wenn alle Wohnungen verkauft werden an einen, dann ist das für uns wie der Gesamtverkauf des Grundstücks und an dieser Stelle greifen wir ein. Wir werden aber sehen müssen, ob wir das vor Gericht durchhalten. Soweit erst mal zu Ihren Fragen. Vielen Dank.

Herr Weeger:
Ja, es gibt ja zurzeit keine Abwendungsvereinbarungen, deshalb: Wie schätzen Sie
denn die mögliche Entwicklung ein, wenn Berlin sich dazu durchringen sollte, ein glaubwürdiges Druckpotenzial zu entwickeln, die Häuser auch tatsächlich zu kaufen? Gibt es dann die gleichen Möglichkeiten wie in Hamburg oder in München oder ist das in Berlin eine andere Lage?

zu Nachfrage 1:
Ja, das ist in Berlin eine andere Lage, weil Berlin erheblichen Nachholbedarf hat,
die Instrumente zu entwickeln, wie sie in München oder in Hamburg eben schon seit langem existieren. Ich habe ja darauf hingewiesen, welche Erfordernisse auch bei uns in der Verwaltung bestehen, um dann schlagkräftig zu sein. Das heißt eben innerhalb dieser kurzen Frist von nur zwei Monaten die gesamten Schritte vorzunehmen, die erforderlich sind, um es dann auch rechtssicher auszuüben.

Also wir haben jetzt intern diskutiert, dass wir dafür eine Gruppe oder ein Team zusammenstellen innerhalb der Verwaltung, damit wir die unterschiedlichen Belange dann sehr zeitnah erfüllen können. Ich sage mal ein Stichwort, Vermessungsamt. Wir brauchen ja eine Verkehrswertermittlung für diese Grundstücke, um auch den Kaufpreis a) zu erhalten oder einschätzen zu können, ob jetzt die Kaufpreise, die da aufgerufen werden, dem Verkehrswert entsprechen, darüber liegen, darunter liegen, darunter eher nicht … aber das sind verschiedene Beteiligte: Die Milieuschutzleute müssen sich äußern, es wird auch sicherlich geguckt werden müssen, was planungsrechtlich möglich ist usw., also wir wollen da ein Team zusammenstellen, um in Zukunft mehrere solcher Vorkaufsrechte
auszuüben. Also da, wo es sinnvoll und erforderlich ist.

Friedrichshain-Kreuzberb, den 16.12.2015
Bündnis 90/Die Grünen
Fragesteller: Andreas Weeger

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