280.000 Unterschriften hat die Initiative "Wassertisch" gesammelt. Der Volksentscheid kommt – wenn das Parlament das Anliegen nicht übernimmt. Danach sieht es nicht aus. Ein Artikel aus der taz KONRAD LITSCHKO.
Heidi Kosche hat Tränen in den Augen, als sie am Mittwochmittag vor den Treppen der Innenverwaltung steht. Neben der Grünen-Abgeordneten türmen sich Kartons mit Unterschriften. Ein Aktivist hat sich einen Zettel an den Hut gepappt: „geschafft“. Überwältigt sei sie, sagt Kosche. Und glücklich. Am Mittwoch war es soweit: Das Volksbegehren zur Offenlegung der Berliner Wasserverträge reichte zum Sammelschluss seine Unterschriftenlisten ein – mit 280.000 Unterzeichnern. Bisher. Anzeige
Rund 108.000 Unterschriften haben allein die 30 Wasser-Aktivisten mitgebracht. Unter Jubel und Applaus werden die Kartons Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach übergeben. „Vielen, vielen Dank, dass sie unsere Kampagne begleitet haben“, sagt eine Frau und strahlt. Michaelis-Merzbach zuckt mit den Schultern: „Das ist meine Aufgabe.“ Noch bis Mittwochnacht konnten Listen bei ihr abgegeben werden. Auch die in den Bezirksämtern ausgelegten Listen sind noch nicht inbegriffen. Bis zum 8. November würden die Unterschrift jetzt ausgezählt, verspricht die Landeswahlleiterin.
„Das Volk hat sich das Begehren zu eigen gemacht“, schwärmt Kosche. Kirchen, Frauen- und Obdachlosengruppen hätten das Begehren unterstützt. Seit Juli hatte der Wassertisch gesammelt – und einen fulminaten Endspurt hingelegt. „Viele empfinden Wasser als ein Grundlebensmittel, mit dem man keine Profite machen sollte“, erklärt Kosche den Erfolg. Die Initiative fordert die Offenlegung der Wasserverträge und der Gewinngarantien, die 1999 bei der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe mit RWE und Veolia geschlossen wurden. Langfristig sollen die Betriebe zurückgekauft werden.
„Erschöpft, aber glücklich“, zeigte sich auch Thomas Rudek, einer der Initiatoren des Begehrens. Der Erfolg sei den Netzwerken der Initiative geschuldet und den Sammlern, die „bei Wind und Wetter draußen standen“.
Der Senat hat nun vier Monate Zeit, einen Volksentscheid herbeizuführen – oder das Anliegen als Gesetz zu übernehmen. Danach sieht es nicht aus. Teile des Begehrens seien rechtlich problematisch, sagt SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter. Politisch unterstütze man aber eine Offenlegung der Verträge. „Wir stehen für eine Neuverhandlung der Verträge zu besseren Konditionen und der Prüfung eines Rückkaufs der Wasserbetriebe“, so Metter. In dieser Frage würde man sich wünschen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende der Wasserbetriebe „weiter wäre“.
Das ist Linken-Wirtschaftssenator Harald Wolf. Er teile das Anliegen der Offenlegung, so Wolf. „Das Begehren, wie auch ein im März gestartetes Kartellverfahren gegen Veolia und RWE sind ein willkommenes Druckmittel dafür.“ Mit dem im Sommer beschlossenen Informationsfreiheitsgesetz gebe es einen weiteren Weg zur Offenlegung.
In der Senatskanzlei will man die Prüfung der Unterschriften abwarten. „Wenn diese abgeschlossen ist, wird sich der Senat zum Volksbegehren positionieren“, sagte Richard Meng, Sprecher des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD).
Heidi Kosche ist der Weg zur Offenlegung gleich: „Wichtig ist das Resultat, ob durch den Senat oder einen Entscheid.“ Für die politische Kultur wäre es aber besser, wenn der Senat das Anliegen übernehmen würde. Thomas Rudek hat dagegen „keine Hoffnung, was diesen Senat betrifft“. Er hoffe auf einen Abstimmungstermin Ende Februar. „An der Terminvergabe wird sich bemessen, wie aufgeschlossen Wowereit dem Anliegen gegenübersteht“, so Rudek. Den Termin bestimmt der Senat allein. Kommt es zum Entscheid, müsste ein Viertel der Stimmberechtigten, gut 600.000 Berliner, der Vorlage zustimmen.