Die Bezirksgruppe vom 10.06.25 zur Zukunft der Clubkultur in Friedrichshain-Kreuzberg machte deutlich: Der kulturelle Charakter des Bezirks steht unter wachsendem Druck durch Bebauungspläne, steigende Mieten und politische Prioritätenverschiebungen. Zusammen mit Emiko Gejic, Sprecherin der Clubcommission und Julian Schwarze (M.d.A. und fachpolitischer Sprecher für die Themen Stadtentwicklung, Tourismus und Clubkultur) diskutierten wir über Bedrohungen, Handlungsoptionen und mögliche Perspektiven.

RAW-Gelände: Schutz für Subkultur oder Prestigeprojekt mit Hochhaus?

Einen besonderen Schwerpunkt der Diskussion bildete das RAW-Gelände. Seit Jahren ist die Fläche Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Besitzer und der Bezirkspolitik. Ziel sei es, das soziokulturelle Erbe, darunter Clubs, Sport- und Freizeitangebote,zu sichern. Doch private Eigentumsverhältnisse und Pläne für eine Bebauung an der Warschauer Straße, einschließlich eines Hochhauses, erschweren eine langfristige Absicherung. Bezirksvertreter*innen betonten, dass bisherige Planungen ein Kompromiss seien,keine Wunschlösung, aber ein Versuch, kulturelle Strukturen zu erhalten.

Autobahn A100 – Gefahr für Ostkreuz und Clubstandorte

Zunehmende Sorgen äußerten die Emiko Gejic und Julian Schwarze  angesichts des geplanten 17. Bauabschnitts der Stadtautobahn A100, der zahlreiche Flächen im Umfeld des Ostkreuzes bedroht.. Der Bezirk und Vertreter*innen der Clubszene kritisierten den drohenden Verlust kultureller Orte, die über Jahre organisch gewachsen sind. Die Aussage war klar: „Diese Standorte sind keine beliebig reproduzierbaren Flächen,sie sind Teil der Berliner Identität.“

Wirtschaftsfaktor Clubkultur und staatliche Förderung

Berlin profitiert in hohem Maße von der Clubkultur, nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich. Laut aktuellen Zahlen  generiert die Branche jährlich rund 1,5 Milliarden Euro durch nachgelagerte Effekte, allein im Tourismus und der dazugehörigen Wirtschaft. Dennoch stehen Clubs unter massivem finanziellen Druck. Steigende Betriebskosten, kurzfristige Mietverträge und baurechtliche Hürden erschweren den Fortbestand. Der Vorschlag: Die Einnahmen aus der Berliner City Tax könnten gezielt für die Unterstützung von Clubstandorten genutzt werden, z. B. durch die Aufstockung des Schallschutzfonds oder eine städtische Kulturförderung.

UNESCO-Auszeichnung als Symbol – rechtlich ohne Wirkung

Die Anerkennung der Berliner Techno-Kultur als immaterielles Kulturerbe durch die UNESCO wurde begrüßt,gleichzeitig wurde aber klargestellt, dass dies keine baurechtlichen Folgen nach sich zieht. Clubs gelten weiterhin rechtlich als „Vergnügungsstätten“, eine Einstufung, die sie in eine Kategorie mit Spielcasinos und Bordellen stellt. Die Forderung nach einer rechtlichen Neubewertung als „Kulturstätten“, um Clubstandorte besser schützen zu können, wurde erneut betont.

Zwischen Zentrum und Stadtrand: Neue Flächen, alte Konflikte

Beispielhafte Projekte wie die Clubnutzung im ehemaligen Flughafen Tegel zeigen, dass neue Flächen in Randlagen entstehen. Hier herrscht Einigkeit: Solche Angebote können ergänzen, aber nicht ersetzen. Eine vollständige Verlagerung von Clubkultur aus der Innenstadt sei nicht nur realitätsfern, sondern ein kultureller Verlust. Clubs sind in Berlin nicht „aus dem Boden gestampft“, sondern Teil einer gewachsenen Stadtstruktur.

Fazit: Politischer Wille entscheidet

Ob RAW-Gelände, A100 oder City Tax, letztlich hängt vieles vom politischen Willen und der Bereitschaft der finanziellen Unterstützung ab. Der Erhalt von Clubkultur in Friedrichshain-Kreuzberg ist keine Frage der Nostalgie, sondern ein aktiver Beitrag zur kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Vielfalt Berlins. Die gestrige Diskussion machte klar: Wenn Berlin seine kreative Strahlkraft bewahren will, braucht es mehr als Sonntagsreden, es braucht konkrete Maßnahmen und entschlossene Politik.