DS/1344/IV Mündliche Anfrage
Ihr mündlichen Anfrage beantworte ich wie folgt:
1. Gibt es Schätzungen wie viele Menschen nach Brand und anschließender Räumung der
„Cuvrybrache“ am Donnerstagabend nun obdachlos sind? (Wenn ja: Bitte auch den Anteil
der EU-Bürger*innen schätzen.)
Das Bezirksamt war am Freitag, 19.9.2014 ab ca. 7:30 Uhr am Gelände vertreten bzw. für Betroffene und die Polizei ansprechbar. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich, abgesehen von Beamtinnen und Beamten der Schutz- bzw. Kriminalpolizei keine Menschen auf dem Gelände. In unmittelbarer Nachbarschaft hielten sich ca. 20 Personen auf, die sehr wahrscheinlich EUBürger aus Bulgarien und Rumänien waren – diese Personen haben sich nach Auskunft der Polizei vor dem Brand auf dem Gelände aufgehalten.
Angaben darüber, wie viele Menschen sich vor dem Brand auf dem Gelände aufgehalten haben, liegen dem Bezirksamt nicht vor.
2. Welche Hilfsangebote durch das Bezirksamt gab es nach dem Brand am Donnerstag für die obdachlosen Bewohner*innen?
Die im Unfeld der Cuvrybrache angetroffenen Menschen konnten vor Ort lediglich auf das Angebot der Notunterkunft im Land Berlin und auf die Regeldienste der bezirklichen Sozialämter verwiesen werden. Nach Zuständigkeit und im Einzelfall kann in den Bezirken über ein konkretes Hilfsangebot entschieden werden. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist für Personen zuständig, die zuletzt ihre Meldeadresse im Bezirk hatten oder die im Monat Februar geboren wurden.
Am Freitag, 19.9.2014 wie auch am Montag, 22.9.2014 wurde den Menschen vor Ort die Zuständigkeitsliste mit den Kontaktdaten der bezirklichen Wohnhilfen ausgehändigt. Es wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Stellen auch Notfälle außerhalb der angegebenen Sprechzeiten beraten. Im Bereich der Sozialen Wohnhilfe Friedrichshain-Kreuzberg kam es bis zum heutigen Tag, 25.9.2014 zu keiner Vorsprache, die explizit mit der Cuvrybrache in Zusammenhang gebracht werden kann. Informationen von anderen Sozialen Wohnhilfen der Stadt, dass dort Personen vorgesprochen hätten, die sich vor dem Brand auf der Cuvrybrache aufgehalten haben, liegen hier ebenfalls nicht vor.
3. Was war der Anlass für das Schreiben des Jugendamtes an die Roma-Familien, in welchem die Inobhutnahme der Kinder wegen deren Gefährdung, angedroht wurde? (laut taz vom 17.9.14)
Das Jugendamt ist verpflichtet, Hinweisen von Kindeswohlgefährdung nachzugehen. Im Görlitzer Park leben Familien in Obdachlosigkeit und allein daraus ergeben sich Gefährdungsmomente für das Wohl der betroffenen Kinder. Das Jugendamt ist verpflichtet, Eltern auf eine evtl. Kindeswohlgefährdung und mögliche Konsequenzen
hinzuweisen, in Abstimmung mit ihnen nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, ggf. und
soweit möglich Hilfen zur Verfügung zu stellen bzw. in akuten Fällen von Kindeswohlgefährdung den Kinderschutz auch durch Inobhutnahmen sicherzustellen.
Dabei ist jeder Einzelfall zu prüfen. Für die evtl. Gewährung von Jugendhilfe für die wohnungslosen (Roma)Familien sind nach einer Berlin weiten Regelung unterschiedliche Jugendämter zuständig (sog. Geburtstagsregelung). In der Vergangenheit war es dem Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg in einer Reihe von Fällen gelungen, wohnungslosen Roma-Familien Wohnraum zu vermitteln. Diese Möglichkeiten sind ausgeschöpft.
Schreiben an die Senatsverwaltung um weitergehende Hilfsmöglichkeiten sind ohne
Erfolg geblieben. Um sicher zu stellen, dass die betroffenen Familien über den aktuellen Sachstand in Kenntnis gesetzt sind, wurde vom Jugendamt neben der persönlichen Ansprache der Familien und dem Einsatz von Dolmetschern auch die Schriftform gewählt.
Nachfragen:
1. Unter welchen Vorrausetzungen kann obdachlosen EU-Bürger*innen eine Unterkunft angeboten werden?
In jedem Einzelfall wird versucht, die individuelle Ausgangslage der Betroffenen zu ermitteln und die ggfs. vorliegenden Leistungsansprüche zu klären. In aller Regel handelt es sich um erwerbsfähige Personen. In diesen Fällen werden die Betroffenen aufgefordert, Leistungsansprüche gegenüber dem Jobcenter als Grundsicherungsstelle geltend zu machen und sollte das Jobcenter dies ablehnen, den Rechtsweg zu beschreiten.
Für die weitere Beratung und Unterstützung werden die Personen an den Verein südost-Europa verwiesen. Sind Leistungsansprüche beim Jobcenter geklärt (bisher ist in allen Fällen eine vorübergehende Leistungsgewährung von Gericht angeordnet worden), versucht die Soziale Wohnhilfe, einen Unterbringungsplatz über die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) zu finden, der im Rahmen der KdU finanziert wird. Die vorhandenen Platzangebote sind aber oftmals nicht ausreichend.
Im Notfall erhalten die Betroffenen einen Reservierungs- bzw. Kostenübernahmeschein für ein Hostel freier Wahl im Land Berlin. Demgegenüber kann eine ASOG-Unterbringung außerhalb einer Transferleistungsgewährung mit KdU ersatzweise nur vorgenommen werden, wenn die Unabwendbarkeit sofortigen Eingreifens (z.B. Gefahr für Leib und Leben) vorliegt und weiteres Verzögern die Situation verschlimmern würde.
Hierbei handelt es sich um vereinzelte Einzelfallentscheidungen im Rahmen der Ermessensausübung, deren Umsetzung trotz unabweisbarer Notlage angesichts der unzureichenden Unterbringungsangebote schwer zu realisieren ist. ASOG ist Sozialleistungsansprüchen gegenüber nachrangig, d.h. es besteht auch dann weiterhin
die Verpflichtung, umgehend Sozialleistungsansprüche (Unterbringungskosten dann über KdU) zu klären.
Optional kann auch eine Fahrkarte für die Rückkehr ins Heimatland gewährt werden.
Grundsätzlich ist im Ergebnis der Entwicklungen in unserem Bezirk einzuschätzen, dass das bestehende Leistungs- und Hilfesystem in Berlin den durch Armutswanderung offenbarten Bedarf an Unterbringung und Betreuung weder qualitativ (Versorgung von Großfamilien) noch quantitativ (Bereitstellen von Plätzen) gewachsen ist. Dazu finden derzeitig intensive Gespräche zwischen Bezirk und der für Intergrationsfragen zuständigen
Senatsverwaltung statt. Hier besteht akuter Handlungsbedarf, das Land Berlin muss die
im Roma Aktionsplan angekündigte Anlauf- und Clearingstelle schaffen und ebenso Wohnraum zur Verfügung stellen.
2. Welche Möglichkeit gibt es bei der Neuplanung der Cuvrybrache, die von der Senatsverwaltung verantwortet wird, die Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu berücksichtigen?
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann in Ihrer Zuständigkeit auf den Eigentümer einwirken, die neu geschaffenen Instrumente der Berliner Wohnungsbauförderung in Anspruch zu nehmen und somit für einen auszuhandelnden Anteil des geplanten Wohnungsneubaus günstigere Mieten zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Knut Mildner- Spindler
Friedrichshain-Kreuzberg, den 24.09.2104
Bündnis 90/Die Grünen
Fragestellerin: Susanne Hellmuth