In der Berliner Verfassung findet sich an prominenter Stelle der Begriff „Rasse“. Nach Artikel 10 darf niemand wegen „seiner Rasse“ benachteiligt oder bevorzugt werden. Auf Initiative der Grünen Fraktion berät das Abgeordnetenhaus nun die Streichung.
Immer wieder – zuletzt vom Deutschen Institut für Menschenrechte – wurde darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Begriffs das Konzept menschlicher „Rassen“ akzeptabel erscheinen lässt und gar zu dem ungewünschten Eindruck führt, der Berliner Verfassungsgeber gehe unzutreffend von der Existenz menschlicher Rasse aus. Seit dem 18. Jahrhundert wurden mit dem Begriff Kategorien von Menschen gebildet, die zugleich der Rechtfertigung von Sklaverei und Kolonialpolitik dienten. Seinen traurigen Höhepunkt fand der Rassenwahn im Nationalsozialismus.
Andere Länder sind weiter
Den heute überwundenen Begriff der Rasse wollen wir streichen. Denn Rassismus lässt sich nicht glaubwürdig bekämpfen, solange der Begriff „Rasse“ beibehalten wird. Dem entspricht die Entwicklung auf EU-Ebene, wo das Europäische Parlament empfahl, den Begriff in allen amtlichen Texten zu vermeiden, sowie in anderen Mitgliedstaaten, die – wie zuletzt Frankreich – auf den Begriff in ihrer Gesetzgebung verzichten. Der Bundesgesetzgeber hält zwar noch an dem Begriff fest, zuletzt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Er zeigt aber immerhin Problembewusstsein. So bedeute die Verwendung des Begriffs „Rasse“ nicht die Akzeptanz von Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Dass es auch anders geht, beweist das Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg, das von Benachteiligung aus „rassistischen Gründen“ spricht. Die Grüne Berliner Initiative folgt einer Empfehlung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, das anregte, den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes entsprechend zu ändern.
Was tritt an die Stelle?
Die ersatzlose Streichung des Begriffs würde jedoch möglicher Weise zu einer Schutzlücke führen. Daher soll der Begriff „Rasse“ durch die Formulierung „aus rassistischen Gründen“ ersetzt werden. Artikel 10 der Landesverfassung lautete dann: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, aus rassistischen Gründen, wegen seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Damit soll der Wechsel von einem vermeintlichen Fakt, der Rasse, hin zum Schutz vor Vorurteilen betont werden. In der ersten Beratungsrunde im Abgeordnetenhaus wurde deutlich, dass alle Fraktionen das Anliegen im Grundsatz teilen. Bei der Alternativformulierung gehen die Auffassungen jedoch noch auseinander, so wird vorgeschlagen den Begriff Rasse durch Ethnie zu ersetzen. Die weiteren Beratungen werden zeigen, ob das Berliner Landesparlament die Kraft besitzt, 69 Jahre nach dem Ende des deutschen Faschismus die Rasse aus der Verfassung zu streichen.
Dirk Behrendt
Mitglied des Abgeordnetenhauses
Rechtspolitischer Sprecher