Grüne Köpfe im Bezirk Einige Mitglieder verließen die Grünen aus Protest gegen die Agenda 2010. Rüdiger Brandt kämpfte dagegen und blieb. Noch heute will er im Bezirksparlament das Beste aus dem Bundes-Sozialgesetzbuch herausholen – zu Gunsten der Betroffenen.

Vom Nachbartisch duftet der Reis mit frischem Gemüse und Hühnchen herüber. Doch Rüdiger Brandt ist nicht nur wegen des leckeren Essens hier, in der Weltküche in der Kreuzberger Graefestraße. Denn der Politiker, der für die Grünen im Bezirksparlament Friedrichshain-Kreuzberg aktiv ist, interessiert sich dafür, wie es mit dem Vorzeigeprojekt weitergeht. Schließlich hat er sich gemeinsam mit dem grünen Bezirksbürgermeister und anderen Aktiven der Fraktion für seinen Start eingesetzt.

In der Weltküche des Vereins Graefewirtschaft haben sich ehemals erwerbslose Frauen mit und ohne Migrationshintergrund zusammengetan, selbst eine gemeinnützige Firma gegründet und sich damit selbst einen Job geschaff en. Doch weil erst noch das Jobcenter überzeugt werden musste, kamen Rüdiger und seine Mitstreiter dazu.

Der 43-jährige ist Vorsitzender des Ausschusses für Beschäftigung und Jobcenter. Über 70 Millionen Euro gibt der Bund pro Jahr u. a. für 1-Euro- Jobs, Qualifikation und Weiterbildung von Erwerbslosen in Friedrichshain-Kreuzberg aus. Und der studierte Politikwissenschaftler ist einer von denen, die kritisch begleiten, wofür das Geld ausgegeben wird.

Er kennt sich aus

AGH-Entgelt, ÖBS oder MAE – Rüdiger Brandt wirft häufig mit Abkürzungen um sich. Schon eine kleine Frage reicht aus und er antwortet ausführlich und meistens nachhaltig. Denn er kennt sich aus, hat ein gespaltenes Verhältnis zu Hartz IV und anderen Novellierungen in der Sozialgesetzgebung. Bereits im Jahr 2003 organisierte Rüdiger Brandt bei den Grünen den Widerstand mit.

Einen Sonderparteitag und einige Verbesserungen konnten so damals durchgesetzt werden. Doch in den Verhandlungen der rot-grünen Bundesregierung mit den CDU-regierten Bundesländern wurden die Änderungen rückgängig gemacht.

Der langjährige Parteilinke lehnt aus politischer Überzeugung die armutssteigernden und repressiven Anteile der Hartz-Gesetze ab. Andererseits versucht er nun im Ausschuss und als Vertreter des Bezirksparlaments im Beirat des Jobcenters, das Beste für die Betroffenen heraus zu holen, was sich nicht immer als leicht heraus stellt. Dass es ihm ernst ist, merkt man schnell am Unterton, mit dem er seine Diskussionsbeiträge vorträgt. In seiner Fraktion gilt Rüdiger als alter Stratege. Schon lange bevor er 1990 nach Berlin kam, war er in Braunschweig bei den Grünen aktiv. Bis er 2006 ins kommunale Parlament einzog, galt ein Hauptteil seines politischen Engagements der Zeitung des grünen Kreisverbandes, dem Stachel.

Zuhause im Graefekiez

Neben der Arbeitsmarktpolitik interessiert sich Rüdiger Brandt (als Mitglied im BVV-Ausschuss für Wirtschaft, Bürgerdienste und Ordnungsamt) für die Stabilität und die Entwicklungschancen der bezirklichen Wirtschaft und die aktuelle (Mieten-)Entwicklung in den Kiezen, insbesondere im Graefekiez. Er beobachtet sehr genau, wie sich die Lebenssituation hier verändert. Er wohnt hier seit 20 Jahren, hat noch einen alten Mietvertrag. Doch immer weniger Leute können es sich leisten, in den in ihrer Lebens- und Wohnqualität angenehmen Kiezen zu bleiben.

Darüber hinaus engagiert sich Rüdiger im Ausschuss Soziales und Gesundheit. Die Kombination aus Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik ermöglicht es, die Friedrichshain-Kreuzberger Mischung gelegentlich interkulturellen, gelegentlich spannungsreichen Lebens miteinander durch eine Vielzahl an Projekten zu stützen.

Regelmäßig schaut Rüdiger in der Weltküche vorbei. Von seiner Haustür sind es nur ein paar Schritte bis hier her. Doch auch das ist nicht der einzige Grund. Schließlich ist Rüdiger Brandt ein Überzeugungstäter alter Schule.

Christian Honnens