Statement zur Übergabe der Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule an das Bezirksamt durch die Gerichtsvollzieherin
Der Konflikt um die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule hat das Scheitern der europäischen und deutschen Asyl- und Migrationspolitik wie unter einem Brennglas zu Tage treten lassen. Er hat gezeigt, wie wichtig eine andere, humane Politik für Geflüchtete ist und dass unsere grünen Forderungen – die Teilhabe am Arbeits- und Ausbildungsmarkt, die Abschaffung der Residenzpflicht, ein menschenwürdiges Leben ohne Lagerunterbringung – dafür immer noch zentrale Forderungen bleiben. Aber er hat auch klar die Handlungsmöglichkeiten eines Berliner Bezirks aufgezeigt.
Wir finden es bedauerlich, dass, nach fünf Jahren Besetzung der ehemaligen Schule durch Geflüchtete, nach unzähligen Gesprächen und der Suche nach Kompromissen durch das Bezirksamt und -parlament von Friedrichshain-Kreuzberg, nun der leider gescheiterte Versuch eines selbstverwalteten Geflüchtetenzentrums durch eine gerichtliche Entscheidung beendet werden musste. Als heute morgen die Gerichtsvollzieherin eintraf, befanden sich bereits keine Besetzer*innen mehr auf dem Gelände.
Es ist bekanntermaßen von Beginn an nicht gelungen, ein tragfähiges und funktionierendes Konzept zur Selbstverwaltung und entsprechende Strukturen zu entwickeln. Wir sind weiterhin überzeugt, Lösungen sollten im Gespräch miteinander erarbeitet werden. Dies hat mit über 90 Prozent der ehemaligen Besetzer*innen der Gerhart-Hauptmann-Schule geklappt. Dies freut uns nach wie vor. Die Erfüllung der politischen Forderungen der kleinen Gruppe der verbliebenen Besetzer*innen, nach einem humanen Asylrecht, sowie nach ihrer Anerkennung als politisch Geflüchtete kann ein Bezirk nicht bieten – das betrifft Bundesgesetze. Auch über Ermessensregelungen für Ausnahme- und Härtefälle hat der Bezirk keine Entscheidungskompetenz. Daher hat der Bezirk immer wieder an die Entscheidungsträger*innen in Bund und Land appelliert, hierzu Verantwortung für die Geflüchteten zu übernehmen und menschenwürdige, tragfähige, langfristige Lösungen zu entwickeln. Unsere grünen Forderungen nach einer humanen Asyl- und Migrationspolitik bleiben weiterhin richtig; darin haben wir uns stets solidarisch mit den Forderungen der Besetzer*innen der Gerhart-Hauptmann-Schule gezeigt. Den einigen wenigen Menschen, die noch im Südflügel der Schule wohnten, wurden und werden alternative Unterkünfte angeboten.
Hintergrund:
Im Winter 2012 wurde die Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) von Geflüchteten besetzt, die zuvor am Oranienplatz für ein humanes Asylrecht demonstriert hatten. Der Bezirk duldete diese Besetzung durch zumeist traumatisierte, geflüchtete Menschen im Rahmen der Kältehilfe bis Frühjahr 2013. Im Laufe der Zeit fanden bis zu 300 Menschen in dem maroden Schulgebäude Zuflucht. Der Bezirk zeigte von Anfang an Dialogbereitschaft und hat den protestierenden Geflüchteten zugesichert, alles in seiner Macht stehende zu tun, um ihren legitimen Protest zu ermöglichen und zu unterstützen. Im Juni 2014 wurden in Zusammenarbeit zwischen Bezirk und Senat für die Bewohner*innen neue Unterkünfte organisiert. Viele der Bewohner*innen akzeptierten diese und verließen die GHS freiwillig. Einige Dutzend Bewohner*innen wiederum beharrten darauf, in der GHS zu bleiben. Im Oktober 2014 forderte das Bezirksamt die verbliebenen Bewohner*innen vergeblich zum Auszug auf und war gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten. Das Bezirksamt plant an diesem Standort seit Jahren ein internationales Zentrum für Geflüchtete und will mit dem Campus Ohlauer auf dem Gelände außerdem zusätzlichen Wohnraum für Geflüchtete, Alleinerziehende, Studierende und einkommensschwache Familien sowie eine Bibliothek errichten.