Politische Kräfte und Teile der Immobilienlobby versuchen, das kommunale Vorkaufsrecht zu Fall zu bringen. Umso mehr gilt es jetzt dafür zu kämpfen. Dafür braucht es aber die Unterstützung der gesamten Koalition.
Wir als Rot-Rot-Grüne Koalition haben uns 2016 im Rahmen des Koalitionsvertrags darauf verständigt, bis zu 10.000 Wohnungen bis zum Jahr 2022 anzukaufen bzw. zu rekommunalisieren. Denn gerade in den sog. Innenstadt-Bezirken sind nicht mehr viele Verdichtungspotentiale vorhanden, kommunale Grundstücke sind mehr als Mangelware und die Mieten galoppieren den Einkommen der Berliner*innen davon.
Neben gezielten Ankäufen durch die Landeseigenen Wohnungsunternehmen wie das NKZ, Teile der Karl-Marx.Allee und XX, haben wir also in den sogenannten Gebieten mit sozialer Erhaltungssatzung (Milieuschutz) seit 2017 verstärkt das kommunale Vorkaufsrecht angewandt. Seitdem hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg 28 Mal das Vorkaufsrecht ausgeübt und für 29 Häuser sogenannte Abwendungsvereinbarungen abgeschlossen. Ziel ist der Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung und der Schutz vor akuter Verdrängung. Das Instrument war überfällig, denn bereits seit über elf Jahren kommt es in Friedrichshain-Kreuzberg immer häufiger zu Verdrängung der Bewoher*innen und sozialer Spaltung. Seitdem ist daher auch die Anzahl der Milieuschutzgebiete stetig gewachsen.
Insgesamt konnten wir so 1.281 Wohnungen bzw. Haushalte vor dem Ausverkauf schützen – und damit steht unser Bezirk zum Glück nicht alleine da. Auch in Mitte, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg, Pankow, sowie einmal in Lichtenberg und Treptow-Köpenick wurde das Vorkaufsrecht genutzt, um Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen.
Das Kapital schlägt zurück
Und das ist auch bitter nötig, denn immer mehr große aktiennotierte Wohnungsunternehmen oder luxemburger Fonds drängen auf den Berliner Wohnungsmarkt. Die Zinsen sind so niedrig, es fehlt an alternativen Anlagen und die Bundesgesetzgebung bedient „Investorenträume“ statt Mieterschutz zu betreiben, so dass der Wohnungsmarkt immer mehr zum Finanzmarkt verkommt – zum Schaden der Mieter*innen.
In den meisten Fällen hat der Bezirk zu Gunsten von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vorgekauft. Käufer*innen können den Vorkauf aber abwenden, wenn sie sich zur Einhaltung des Milieuschutzes verpflichteten. Sie tun dies vertraglich durch eine Abwendungsvereinbarung. Darin wird für 20 Jahre u.a. auf mietpreistreibenden Modernisierungen und die Aufteilung der Mietshäuser in Eigentumswohnungen verzichtet. Wenn die Vereinbarung unterzeichnet wird, dann darf der Bezirk das Vorkaufsrecht nicht ziehen. Es gibt einige Hausgemeinschaften, die darüber immer wieder enttäuscht sind, weil sie sich verständlicherweise wünschen, dauerhaft in gemeinwohlorientierte Hände zu kommen. Jedoch lässt dies das Bundesbaugesetzbuch nicht anders zu und es ist dennoch ein richtiger Schritt hin zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums und ein Schutz, den sich viele wünschen würden.
Seit Beginn des Jahres sind Käufer*innen jedoch immer weniger bereit, diese Abwendungsvereinbarungen zu unterzeichnen. Die Hauptursache ist, dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und der Abverkauf dieser Wohnungen, am besten ohne Mieter*innen, die einträglichste Form der Immobilienverwertung ist. Seit drei Jahren nehmen Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen wieder zu, weil die in Berlin gültige Umwandlungsverordnung durch den Bundesgesetzgeber diese zwar einschränkt, jedoch ein großes Schlupfloch zulässt, das immer mehr sog. „Investor*innen“ nutzen. Zugleich konnten landeseigene Wohnungsbaugesellschaften bei steigenden Verkaufspreisen den Vorkauf nicht umsetzen.
Der „Fall“ DIESE eG
Im Mai 2019 wurde parallel für 13 Häuser das Vorkaufsrecht geprüft. Im Austausch mit den betroffenen Mieter*innen und mietenpolitisch aktiven Initiativen entstand daher die Idee, das Vorkaufsrecht zugunsten einer Genossenschaft auszuüben. Im Mai wurde eine Genossenschaft gegründet, mit dem Namen DIESE eG.. Aufgrund der engen Fristen der laufenden Vorkaufsprüfungen und auf Wunsch der betroffenen Mieter*innen wurde ab Mai 2019 das Vorkaufsrecht in fünf Fällen, bei denen weder eine Abwendungsvereinbarung abgeschlossen werden konnte noch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft als Vorkäuferin zur Verfügung stand, das Vorkaufsrecht zu Gunsten der Diese e.G. ausgeübt. Der Senat von Berlin hat deshalb zwischenzeitlich beschlossen, dass aus wohnungspolitischer und städtebaulicher Sicht auch Genossenschaften beim Vorkauf von Mietshäusern mit einem Zuschuss von zehn Prozent des Kaufpreises unterstützt werden können. Im Gegenzug dafür erhält das Land Berlin bei 25 -50 Prozent der Wohnungen eine soziale Belegungsbindung. Das heißt, diese Wohnungen müssen an Inhaber*innen eines Wohnberechtigungsscheins vermietet werden. Dieser Senatsbeschluss wurde im August vom Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses bestätigt.
Die DIESE eG hat bis heute neun Häuser erworben und zusammen mit den Hausgemeinschaften ein solidarisches Finanzierungskonzept aufgelegt.
Doch statt die DIESE eG zu unterstützen, hat die Opposition im Schulterschluss mit der Immobilienlobby zum Gegenangriff ausgeholt und versucht, die Genossenschaft öffentlich zu diffamieren. Von angeblichen Stasi-Verbindungen, fehlender Zahlungskraft bis hin zur „unlauteren Bevorzugung“ einer Genossenschaft durch unseren Stadtrat Florian Schmidt reichten die Vorwürfe. Die CDU twittere 1,5 Stunden nach dem ersten Zeitungsartikel sogar, dass sie über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses nachdenke. Und das, obwohl die DIESE eG alle Vorwürfe entkräften konnte. Zwar ist ein Mitglied der DIESE eG in der Stasi aktiv gewesen, dies war aber der Genossenschaft nicht bekannt, zumal das Mitglied nicht aktiv war oder ist. Die Genossenschaft konnte ebenso belegen, dass sie allen ihr vertraglich auferlegten Forderungen bisher nachgekommen ist, es wurden schon zwei Überweisungen an Verkäufer getätigt. Die GLS Bank finanziert die Käufe.
Sie ist dafür bekannt Projekte zu finanzieren, die Boden und Häuser aus der Spekulationsspirale herausholen und gemeinwohlorientiert ausrichten.
Bleiberecht ohne Angst
Zugegeben, die Finanzierung ist kompliziert, das Finanzierungsmodell basiert auf fünf Säulen, es müssen Förderanträge gestellt und die Mieter*innen mit ins Boot geholt werden, und das Vorkaufsrecht mit seinen kurzen Fristen ist sowieso sehr komplex. Bedingung für die Genossenschaft ist, dass mindestens 70 Prozent der Mieter*innen dem Beitritt zustimmen, die übrigen bis zu 30 Prozent bleiben dann ganz normale Mieter*innen. Zudem sollen 25-50 Prozent der neu zu belegenden Wohnungen bzw. auch im Bestand WBS-Wohnungen werden. Zwar kommt mit 500 Euro pro Quadratmeter ein großer Brocken Kosten auf die Genoss*innen zu, dabei gilt jedoch das Solidarprinzip: einige zahlen höhere und andere dafür niedrigere Anteile. Für alle Haushalte, die einkommensschwach sind, gibt es dafür auch ein Darlehen des Landes Berlin, wofür wir im letzten Haushalt 20 Millionen Euro eingestellt haben. Die ersten fünf Jahre gibt es für die einkommensschwachen Haushalte auch keine Mieterhöhung bzw. will sich die DIESE eG an den Mietendeckel halten.
Die DIESE eG bietet also einen Ansatz, um auch in schwierigen Fällen, den Mieter*innen ein Bleiberecht ohne Angst zu garantieren. Sie ist ein Notnagel für das Vorkaufsrecht und sie aus der Mieterschaft heraus entstanden. Daher ist eine Förderung im Sinne des Gemeinwohls richtig. Das kommunale Vorkaufsrecht muss auch deshalb gestärkt werden. Dazu ist mehr Kooperation mit vielen gemeinnützigen Bauträgern nötig. Gleichzeitig sind die landeseigenen Wohnungsunternehmen durch den Senat mehr in die Pflicht zu nehmen. Unsere Koalitionspartner*innen sollten uns und dieses Vorhaben dabei unterstützen, um die erfolgreiche Anwendung des Vorkaufsrechts konsequent weiter zu führen. Denn wir kämpfen für eine gemeinwohlorientierte Neuausrichtung unseres Wohnungsmarkts und den Schutz der Bewohner*innen. Und das ist schon schwer genug.
Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten, Mitglied der Berliner Abgeordnetenhausfraktion für den Stachel September 2019