sagte der Polizist lapidar, nachdem im März 1981 ein leerstehendes Fabrikgebäude in der Lausitzer Straße – Teil der heutigen Regenbogenfabrik – besetzt worden war und registrierte die Anschrift in seinem Notizblock.
Das klingt zwar cool, entsprang aber bereits purer Verzweiflung der Staatsgewalt. Noch drei Monate vorher war eine Besetzung von Häusern am Fraenkelufer von der Polizei brachial verhindert worden und es kam zu dreitägigen Straßenschlachten, vielen Festnahmen und einigen hohen Haftstrafen. Kurz darauf zog eine Solidaritätsdemonstration mit 15.000 Teilnehmer*innen durch das Quartier, bei der die Sympathie vieler Berliner*innen mit den Besetzern und das große Befremden über den massiven Leerstand von Häusern deutlich wurde.
Dies war der Beginn der zweiten Welle der Berliner Hausbesetzungen, bei der in wenigen Wochen insgesamt etwa 180 Häuser besetzt wurden. Der sozialliberale Senat unter Dietrich Stobbe (SPD) war infolge eines aufgedeckten großen Bauskandals unter Druck, Neuwahlen waren bereits angesetzt. „Dieses Machtvakuum hat uns schon ganz gut getan“, erzählt Christine Ziegler von der Regenbogenfabrik in dem gut gelaunten und äußerst lesenswerten Buch „Das ist unser Haus“, das die freie Autorin Barbara Sichtermann und ihr Bruder Kai Sichtermann, Gründungsmitglied von Ton, Steine, Scherben, soeben veröffentlicht haben.
Geschichte der Hausbesetzungen
Darin haben sie eine der wichtigsten sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik in spannenden Erzählungen und Interviews von über 20 Beteiligten aus Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und anderen Städten aufgezeichnet und mit einer sehr lesenswerten Einführung versehen. Knappe Berichte über Hausbesetzungen in der DDR, den Niederlanden, Österreich, Schweiz und Dänemark machen deutlich, dass es sich um ein transnationales Geschehen handelt. „Bei der ersten Besetzergeneration mischte sich die Entschlossenheit, praktische Kritik an den Agenten des kapitalistischen Wohnungsmarkts und seinen politischen Helfershelfern zu üben, mit dem Bedürfnis, das Ziel Autonomie, sprich Selbstverwaltung und Selbstbestimmung, was Wohnform, Lebensstil und Arbeitsweise betrifft, durchzusetzen“, schreiben die Autor*innen.
Nicht nur Wohnbauten, sondern auch viele Fabrikanlagen und Zweckbauten aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert konnten „vor der Abrissbirne bewahrt“ werden, wie schon im Jahr 1971 durch die Besetzung des Martha-Maria-Schwesternheims, das zum Bethanien-Krankenhaus am Kreuzberger Mariannenplatz gehörte. Im Gespräch mit Bernhard Käßner, der mit seinem Jugendtheater Rote Steine bei dieser Besetzung von Anfang an dabei war, wird auch die Rolle von Jugendlichen aus Arbeiterfamilien, „Lehrlingen“ und abgehauenen Heimkindern deutlich, die unter keinen Umständen das Leben führen wollten, das sie in ihre Elternhäusern erlebt hatten. Ihr Begehren richtete sich oft auf einen radikalen Neustart ihres Alltags.
Kreative Medienstrategien
Benennungen von besetzten Häusern nach Georg von Rauch oder Tommy Weisbecker – beide wurden Opfer von Polizisten – verweisen auf die enorme Gewalt, die von staatlicher Seite immer wieder ausging, was nicht zuletzt zur Radikalisierung beigetragen hat. Ein kleines Kapitel widmet das Buch den kreativen Medienstrategien der Hausbesetzerbewegung: nicht nur mit Flugblättern, Plakaten und Magazinen, sondern auch mit Comics, Filmen und sogar dünnen Vinylsingles wurden die eigenen Ziele kommuniziert, Spekulanten bloßgestellt und eine andere Wohnungspolitik gefordert.
Die Autor*innen zeigen exemplarisch, dass jede einzelne Hausbesetzung immer ihre ganz speziellen Besonderheiten hat, so wie die Akteure auch, und es ihnen nicht leichtgefallen ist, „den roten Faden in der Hand zu behalten“. Aber genau deshalb kommen sie ganz nah heran ans Geschehen. Roter Faden oder nicht – Daniel Cohn-Bendit bringt es im Interview auf den Punkt: „Der Häuserkampf in den Städten war einer der ersten nachhaltigen Kämpfe, bei dem es im Kern um nachhaltige Stadtentwicklung ging.“
Wolfgang Lenk, Bezirksverordneter