DS/1344/III
Mündliche Anfrage
1. Wie erklärt sich das Bezirksamt den Umstand, dass einige WählerInnen in Friedrichshain- Kreuzberg ihre Europawahl-Stimme in Autohäusern abgeben mussten?
Entsprechend den gesetzlichen Regelungen (Landeswahlgesetz, Landeswahlordnung, Bundeswahlordnung, Europawahlordnung) ist es zulässig Wahllokale in von kommerzieller Werbung umgebenen Gewerberäumen einzurichten.
Soweit möglich, werden für die Einrichtung von Wahllokalen geeignete Räume in öffentlichen Gebäuden genutzt. Es kommen jedoch nur solche Räume in Betracht, die nach den örtlichen Verhältnissen dem Wähler keine Erschwernis bereiten. Der Wahlraum muss neben einer ausreichenden Größe, insbesondere behinderten und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung, die Teilnahme an der Wahl ermöglichen. Wo dies möglich ist, soll auf Wahlräume mit Treppen und hohen Aufgängen verzichtet werden.
Wahlwerbung ist vor und im Wahlraum entsprechend den gesetzlichen Regelungen verboten. Dies betrifft nicht die kommerzielle Werbung, da in der Nutzung derartiger Räumlichkeiten zu Wahlzwecken keine Präferenz staatlicher Stellen zu den dort beworbenen Produkten erkennbar ist.
Soweit also keine geeigneten öffentlichen Gebäude in den 126 Stimmbezirken unseres Bezirkes zur Verfügung stehen, ist es durchaus zulässig und zweckmäßig, derartige privatwirtschaftlich genutzte Räumlichkeiten für die Einrichtung von Wahllokalen in Anspruch zu nehmen.
Die Frage, ob es in direkter Umgebung nicht ausreichend neutralere Alternativen für die Einrichtung von Wahllokalen gegeben hätte, muss mit Nein beantwortet werden. In Frage kommende Objekte, die z.B. im Stimmbezirk 110 oder in unmittelbar angrenzenden Stimmbezirken liegen wurden vom Bezirkswahlamt geprüft.
U.a. erteilte die Handwerkskammer dem Bezirkswahlamt zur Nutzung des Foyers, Mehringdamm 14 eine Absage, das Finanzamt ist nicht barrierefrei und hat die Nutzung aus Datenschutzgründen ebenfalls abgelehnt, die Fachschule für Kfz-Technik in der Obentrautstr. 16- 18 erteilte ebenfalls eine Absage, da die Räume mit technischen Geräte ausgestattet sind und damit nicht für die Nutzung als Wahllokal in Betracht kommen.
Auch das Bistro im LPG-Biomarkt wurde vom Wahlamt geprüft. Das Objekt hat sich als ungeeignet erwiesen, da der Zugang für Wählerinnen und Wähler durch den Kassenbereich des Marktes führt.
Ganz konkret heißt dies, das Bezirksamt hatte und wird auch bei der Bundestagswahl nach jetzigen Erkenntnisstand keine weitere Alternative zur Nutzung des Autohauses als Wahllokal haben.
Allgemein kann an dieser Stelle eingeschätzt werden, dass es zunehmend schwer ist, geeignete Räumlichkeiten für die Einrichtung von Wahllokale zu finden. Hintergrund sind neben Schließungen von Schulen, Kita’s und anderen Einrichtungen auch eine mangelnde Bereitschaft geeignete Räume für Wahlzwecke zur Verfügung zu stellen. Die Hausmeister oder andere Objektverantwortliche sind nicht mehr bereit ihren freien Sonntag zur Öffnung und Sicherung der Objekte einzusetzen. Gleiches trifft auch für die Gewinnung von Wahlhelfern zu.
Hier ein aktuelles Zitat aus einer E-Mail des Landeswahlleiters an alle Wahlämter vom 23.06.2009 „….die Dienststelle der Deutschen Rentenversicherung Bund sieht sich nicht in der Lage, die von uns vorgegebene Zahl an freiwilligen Helfern für die Bundestagswahl am 27.9.2009 zu melden.“ Zur ordnungsgemäßen Durchführung von Wahlen sehen sich die Wahlämter zunehmend mit Zwangsmaßnahmen konfrontiert.
2. Handelt es sich dabei um eine gezielte Maßnahme der Wirtschaftsförderung oder folgt die Ortswahl der verkehrspolitischen Maxime „Autohäuser zu Wahllokalen“ (in Anlehnung an das Bibelwort „Schwerter zu Pflugscharen“?)
Sowohl als auch, Nein.
3. Hält das Bezirksamt diese Praxis für angemessen bzw. will es diese Praxis fortsetzen?
Ja, solange keine geeigneten Räume in öffentlichen Einrichtungen für die Einrichtung von Wahllokalen zur Verfügung stehen. Das Bezirkswahlamt ist auch weiterhin bemüht – und dies nicht nur unmittelbar vor einer Wahl – weitere Objekte, die den Anforderungen entsprechen zu finden. Klar muss an dieser Stelle aber gesagt werden, dass hierzu auch alle Optionen, also auch Einrichtungen, die privatwirtschaftlich genutzt werden, geprüft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Beckers
Friedrichshain-Kreuzberg, den 02.07.09
B’90/Die Grünen
Fragesteller: Herr Daniel Wesener