Fragen und Antworten rund um die Situation in der von Flüchtlingen besetzten
ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg

  1. Warum wurde die ehemalige Gerhart-Hauptmann Schule von Flüchtlingen besetzt und wie stehen die Grünen dazu?

    Das ehemalige Schulgebäude wurde vor ca. anderthalb Jahren von Flüchtlingen besetzt. Der Bezirk und die Grünen haben diese Besetzung als „Winterhilfe“ geduldet. Der Bezirk hat außerdem erklärt, dass er die politischen Forderungen der Flüchtlinge, unter anderem nach einem Bleiberecht oder einer menschenwürdigen Unterbringung, richtig findet und unterstützt – aber diese rechtlich nicht umsetzen kann. Die Grünen haben deshalb von Anfang an auf eine Verhandlungslösung gesetzt und Räumungsforderungen eine Absage erteilt.

  2. Wie hat sich die Situation in der besetzten Schule seitdem entwickelt?

    Im Laufe der Zeit haben bis zu 300 Menschen in dem maroden Schulgebäude Zuflucht gefunden. Die Lebenssituation vor Ort hat sich dabei dramatisch verschlechtert. Dazu gehörten katastrophale sanitäre Bedingungen und Gewalt zwischen den Bewohner*innen. Diese Situation wurde zu Recht von allen Seiten als menschenunwürdig kritisiert. Der Bezirk hat im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht, Abhilfe zu schaffen: Er hat die Wasser- und Stromversorgung gewährleistet, den Müll beseitigt, Reparaturarbeiten und weitere Maßnahmen eingeleitet sowie versucht, eine Selbstverwaltung der Bewohner*innen zu erreichen. Trotzdem ist es aufgrund der Besetzung nicht gelungen, dass Gebäude menschenwürdig herzurichten. Im Frühjahr dieses Jahres eskalierte die Gewalt im Haus – mit der schrecklichen Konsequenz, dass ein Flüchtling getötet wurde. Dies alles führte dazu, dass die meisten Bewohner*innen des Hauses sich eine andere, bessere Unterkunft wünschten.

  3. Was haben die Grünen seitdem unternommen, um eine Lösung für die Flüchtlinge zu erreichen?

    Die Grünen im Bezirk und im Land haben immer auf eine Verhandlungslösung gesetzt und Räumungsforderungen, vor allem aus der CDU, abgelehnt. Die Grünen haben außerdem alles daran gesetzt, den Senat und das Land Berlin zu bewegen, alternative Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Da der Innensenator den Flüchtlingen ein Bleiberecht nach § 23 Aufenthaltsgesetzt nicht zugestehen wollte, hat sich der Bezirk dafür eingesetzt, dass zumindest eine Einzelfall-Prüfung der aufenthaltsrechtlichen Ansprüche vom Land zugestanden wird. Außerdem hat der Bezirk zugesagt und mit den Bewohner*innen verbindlich vereinbart, dass das Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Internationalen Flüchtlingszentrum und sozialen Projektehaus umgebaut wird.

  4. Wie hat sich die Situation in den vergangenen Wochen entwickelt?

    Der Berliner Senat hat sich – viel zu spät! – bereit gefunden, den Forderungen von Flüchtlingen und Bezirk nach alternativen Unterkünften und einer Einzelfallprüfung nachzukommen. Die Bedingungen des Landes lauteten im Gegenzug: Die Bewohner*innen müssen das Gebäude verlassen, das Haus muss komplett leer gezogen werden und es darf keine neue Besetzung geben. Am 24. Juni lief der Umzug der Bewohner*innen an. 240 Bewohner*innen haben das Gebäude zu diesem Zeitpunkt freiwillig verlassen. Das geschah aus grüner Sicht unter einer völlig überzogenen Polizeipräsenz. Trotzdem ist der Vorwurf, sie seien dazu gezwungen worden, absurd. Der ganz überwiegende Teil der Flüchtlinge wollte schon seit geraumer Zeit die katastrophalen Zustände in der Schule hinter sich lassen und in reguläre Unterkünfte umziehen. Spätestens seit der erwähnten Tötung im Gebäude, war das unter den Bewohner*innen breiter Konsens.

  5. Was ist der aktuelle Stand?

    Am 24. Juni haben nicht alle Flüchtlinge die Schule verlassen. Etwa 40 Bewohner*innen haben sich geweigert, auszuziehen. Durch ihren Verbleib wurde der Druck auf den Bezirk von allen Seiten extrem. Sein Angebot, die Flüchtlinge könnten während des Umbaus der Schule bleiben, wurde von den Flüchtlingen zunächst zurückgewiesen und jedes Gesprächsangebot abgelehnt. Die zentrale Forderung der Flüchtlinge nach einem Bleiberecht, kann der Bezirk nicht erfüllen und der Innensenator blieb sowohl bei seiner Weigerung hierbei den Flüchtlingen entgegenzukommen noch überhaupt mit Ihnen zu verhandeln. Die Polizei forderte den Bezirk ultimativ auf, die Räumung zu veranlassen. Anderenfalls würde die Polizei die Schule nicht mehr sichern, eine Nachbesetzung und Rückkehr zu den alten katastrophalen Verhältnissen wäre die Konsequenz. Die Bitte des Bezirks, den Raum für Verhandlungen zu öffnen, indem die Polizei ihre Präsenz vor Ort zurückfährt, aber das Schulgelände gegen Nachzug absichert, wurde ebenfalls zurückgewiesen. In dieser Situation hatte der Bezirk selbst keine eigenen Handlungsoptionen mehr. Das Ultimatum der Polizei verstreichen zu lassen hätte bedeutet, dass genau derselbe Zustand in der Schule wie vor dem 24. Juni wieder hergestellt worden wäre. Ein Amtshilfeersuchen würde hingegen der Polizei die Möglichkeit der Räumung eröffnen. Der zuständige Stadtrat hat sich am 1. Juli im Alleingang für das Amtshilfeersuchen entschieden. Er hat dabei – wie das Bezirksamt insgesamt – betont, dass das keine Aufforderung zur sofortigen Räumung, sondern zu Verhandlungen ist.

  6. Welche Position vertreten in dieser Situation die Grünen?

    Wir Grüne wollten niemals gewaltsame Räumung der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule. Diese wäre angesichts der glaubhaften Erklärung der verbliebenen Flüchtlinge, sich gegebenenfalls vom Dach der Schule in den Tod zu stürzen auch absolut unverantwortlich gewesen. Der erreichte Kompromiss ist für alle Seiten eine gute Lösung: Die verbliebenen Flüchtlinge können weiterhin im Gebäude leben und der Umbau zum Internationalen Flüchtlingszentrum kann endlich beginnen, ohne dass in dem Gebäude die alten, menschenunwürdigen Zustände wieder hergestellt werden. Für uns ist jedoch damit unser Engagement nicht zu Ende: Wir unterstützen alle Flüchtlinge vom Oranienplatz und in der Schule weiterhin in ihrer Forderung nach einem Bleiberecht nach § 23 Aufenthaltsgesetz aus humanitären Gründen. Dies liegt in der Hand des Berliner Innensenator Henkel – die bezirkliche Ebene hat darauf keinen Einfluss.

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