In Berlin steigen die Mieten. Das zeigen nicht nur die Zahlen des aktuellen Mietspiegels. Der Berliner Mieterverein berichtet über Mietsprünge von 50 Prozent und mehr bei Neuvermietungen. Besonders betroffen ist unter anderem der Innenstadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Soziale Stadtentwicklung braucht Steuerungsinstrumente
Hier gehen Vertreter der Immobilienbranche sogar davon aus, dass sich in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren die Mieten verdoppeln könnten. Eine Entwicklung mit drastischen Folgen: Denn bereits heute geben die Friedrichshain-KreuzbergerInnen 35 Prozent vom Durchschnittseinkommen für Wohnen aus – Tendenz steigend. Eine vom Bezirksamt in Auftrag gegebenen Studie des Planungsbüros Topos hat einige Kreuzberger Kieze genauer unter die Lupe genommen. Im Ergebnis zeigt sich, dass günstiger Wohnraum für Geringverdienende in SO 36 immer knapper wird. Das Einkommen der Zuziehenden liegt in einigen Quartieren durchschnittlich ein Drittel über dem der AltmieterInnen. In Friedrichshain-Kreuzberg greift somit eine Entwicklung, die sich in Stadtteilen wie Mitte oder dem Prenzlauer Berg bereits seit etlichen Jahren vollzieht: Die Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsteile und zunehmende sozialer Segregation. Die Betroffenen wandern vor allem in die städtischen Randgebiete ab, etwa nach Marzahn-Hellersdorf.
Ein Brief aus Friedrichshain-Kreuzberg…
Franz Schulz, der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, sieht angesichts der Entwicklung auf dem Berliner Wohnungsmarkt politischen Handlungsbedarf. In einem Offenen Brief an den Berliner Senat plädiert er unter der Überschrift „Soziale Stadtentwicklung braucht Steuerungsinstrumente“ für eine Veränderung der gesetzlichen Grundlagen (siehe Seite X). Denn das Bürgerliche Gesetzbuch lässt viel Raum für Mieterhöhungen und hat sich dabei zum eigentlichen Wohnkosten-Treiber entwickelt. Für Schulz muss die Politik zugunsten sozialverträglicher Mieten auch deshalb intervenieren, weil alle verfügbaren Instrumente ausgereizt sind. Zwar hat die Bezirkspolitik in der Vergangenheit versucht, Mietsteigerungen zu begrenzen indem Kieze als Sanierungsgebiete ausgewiesen wurden. So genannte Mietobergrenzen wurden jedoch von bundesdeutschen Gerichten in letzter Instanz gekippt – und die Sanierungsgebiete damit eines wichtigen sozialen Steuerungsinstruments beraubt. In seinem Schreiben an den Senat macht Schulz deshalb eine Reihe von Vorschlägen: Durch Änderungen im BGB und beim Baugesetzbuch könnten Mietobergrenzen wiedereingeführt und Mieterhöhungen bei Neuvermietung begrenzt werden.
…stößt bei Rot-Rot auf taube Ohren
Die rot-rote Landesregierung verfährt mit dem Problem auf ihre Weise – sie ignoriert es. Finanzsenator Sarazzin und seine Stadtentwicklungs-Kollegin Junge-Reyer (beide SPD) ließen im Abgeordnetenhaus und gegenüber der Presse verlauten, noch immer sei in Berlin Wohnraum sehr viel günstiger als in München oder Hamburg. Dass diese Städte auch ein deutlich höheres Durchschnittseinkommen aufweisen, fanden sie keiner Erwähnung wert. Selbst als im November mehrere Tausend Menschen in Friedrichshain-Kreuzberg gegen Mieterhöhungen und soziale Verdrängung auf die Straße gingen, machte der SPD-geführte Senat keinerlei Anstalten, sich der Sache anzunehmen. Die grüne Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat deshalb noch vor dem Jahreswechsel einen Antrag auf den Weg gebracht, der den Senat auffordert, tätig zu werden. Auch wir Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg bleiben weiter dran. Daniel Wesener, Bezirksverordneter