Am 16. März 2021 war Bezirksstadtrat Florian Schmidt in den 4. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin geladen.

Im folgenden geben wir sein persönliches Statement im Wortlaut wieder:

Sehr geehrte Damen und Herren,

im 1. Quartal 2019 stand das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg vor einer besonderen Herausforderung. Während von Mitte 2017 bis Ende 2018 die Ausübung von Vorkaufsrechten zu Gunsten von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften reibungslos verlief, erhielten wir im 1. Quartal zahlreiche Absagen.

Zugleich war bei einer gehäuften Anzahl von Vorkaufs-Prüfverfahren keine Bereitschaft von Käufer*innen zu erkennen, Abwendungsvereinbarungen zu unterzeichnen.

Die Bereitschaft von Käufer*innen, Abwendungsvereinbarungen zu akzeptieren, steigt grundsätzlich mit der tatsächlichen Möglichkeit des Bezirkes, Vorkaufsrechte auszuüben. Jede Ausübung des Vorkaufsrechts erbringt im Durchschnitt zwei bis drei Abwendungsvereinbarungen.

Abwendungsvereinbarungen, das muss man sich in diesem Zusammenhang klar machen, kosten das Land Berlin nichts. Obwohl sie den Mieterinnen und Mietern 20 Jahre Sicherheit geben, unter anderem vor Aufteilung der Wohnungen in Eigentumswohnungen und deren Abverkauf. Sie tragen also dazu bei, dass die für das Vorkaufsrecht eingesetzten Mittel in ihrer Effektivität für den Mieterschutz multipliziert werden. So trägt das Vorkaufsrecht zum Schutz von viel mehr Mieterinnen und Mietern bei, als nur für die unmittelbar vorgekauften Häuser.

Vor dem Hintergrund dieser Annahme kann von einem Vorkaufsmultiplikator gesprochen werden der bei 1:2 liegt, möglicherweise auch 1:3. Da die Landeseigenen Wohnungsunternehmen leider damals nicht mehr bereit waren, das Vorkaufsrecht auszuüben – aus welchen Gründen auch immer – drohte das ganze Instrument mitsamt dem Schutzmechanismus der Abwendungen zu scheitern, obwohl Rot-Rot-Grün es sich zum Ziel gemacht hatte, das Vorkaufsrecht gegen Immobilienspekulation konsequent einzusetzen.

Seit 2017 hatte sich das Bezirksamt mit der Frage beschäftigt, ob neben landeseigenen Gesellschaften auch Genossenschaften, Stiftungen oder das Mietshäuser Syndikat als vorkaufsbegünstigte Dritte agieren können. Jedoch erst im Jahr 2018 wurde ein Darlehensprogramm für Genossenschaften beim Senat eingeführt und im 1. Quartal 2019 hatte Finanzsenator Kollatz die Möglichkeit mitgeteilt, dass auch Genossenschaften analog zu landeseigenen Gesellschaften Zuschüsse bei Eintritt in das Vorkaufsrecht erhalten können. Um das Ziel des Milieuschutzes durch Anwendungen und Vorkauf erreichen zu können, wurde im 1. Quartal 2019 ohne weitere Vorerfahrungen die Ausübung zugunsten von Genossenschaften in Angriff genommen.

Die Ausübung zugunsten der Diese e.G. war wohl durchdacht und basierte auf einer positiven Prognoseentscheidung. Die Grundannahme von zwei Finanzierungsbausteinen, also 1. Darlehen und 2. Zuschüsse durch das Land Berlin, erschien plausibel, und ein haushälterisches Risiko im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung bestand nur geringfügig und war nicht höher als bei anderen Verfahren wie Baugenehmigungen oder Klageverfahren im Stadtentwicklungsamt. Daher wurde die Beteiligung des Bezirksamts oder des Rechtsamtes nicht erwogen.

Die jeweiligen Prozesse waren geprägt von dem Erfordernis, gleichzeitig
– mit den Erwerbern über Abwendungsvereinbarungen zu verhandeln, und
– mögliche Dritterwerber zu finden.

Das Gesetz sieht für letzteres eine Genaufrist von 2 Monaten vor. Wären die zwei Monate ohne den Abschluss der Abwendungsvereinbarung oder die Ausübung eines Vorkaufsrechtes abgelaufen, wäre der vom Bezirksamt und Senat gewünschte langfristige Schutz der Mieter von 20 Jahren vor Eigenbedarfskündigungen und Mietsteigerungen gescheitert.

Meine Aufgabe als Stadtrat ist es, alles dafür zu tun, damit Mieterinnen und Mieter ein sicheres Zuhause haben. Damit sie eben nicht irgendwelchen renditegetriebenen Geschäftsmodellen zum Opfer fallen. Und damit Friedrichshain-Kreuzberg ein Bezirk bleibt, der auch für einkommensschwache Haushalte bezahlbar ist. Wenn ich damals nicht gehandelt hätte, wäre mir – zurecht – vorgeworfen worden, trotz greifbarer Lösungsmöglichkeiten, die betroffenen Mieter nicht ausreichend vor Verdrängung geschützt zu haben.

Hinsichtlich des Finanzierungskonzeptes gab es verschiedene Abstimmungen mit dem Senat und auch im Koalitionsausschuss. Diese Abstimmungsgespräche ließen auf eine verlässliche Kooperation schließen. Ich musste eine Prognose treffen, ich musste eine Ermessensentscheidung treffen, um das Ziel des Bezirksamtes umzusetzen, den Mieterschutz zu realisieren. Ich hatte das Amt, um diese Aufgabe umzusetzen und musste und durfte die mit dieser Entscheidung verbundenen Risiken eingehen.

Im weiteren Verlauf bestätigten sich die finanziellen Grundannahmen durch das Handeln des Berliner Senats und das Handeln der politischen Partner und verdichteten sich zu den prognostizierten Rahmenbedingungen. Mit dem Beschluss des Hauptausschusses, die erwarteten Zuschussmittel auch für Genossenschaften zugänglich zu machen, trat schließlich ein, was prognostiziert worden war.

Dass die Zuschussmittel auch für Vorkaufsfälle vor dem Hauptausschussbeschluss im August 2019 einsetzbar waren, wurde seitens der Finanzverwaltung
1. haushaltsrechtlich als unproblematisch bewertet (Juli 2019) und
2. in einem Fall durch eine konkrete Zusage auch praktisch umgesetzt (Juli 2019).

Nach der Hauptausschusssitzung am 7. August 2019, begann jedoch der Versuch, das Handeln des Bezirksamts und der DIESE e.G. zu diskreditieren und zu kriminalisieren.
Nach dem Hauptausschussbeschluss dauerte es von August bis Dezember, bis die Modalitäten der Finanzierung durch öffentliche Darlehen und Zuschüsse geklärt waren. Die Ursachen und Gründe dafür sind mir bis heute unklar.

Als Folge eines nicht vorhersehbaren und unnötigen Zeitverlustes geriet die DIESE e.G. in die Situation, kurzzeitig die Kaufpreisfälligkeiten zweier Häuser nicht bedienen zu können. Jedoch gelang es, mittels Zwischenfinanzierungen von Akteuren des gemeinwohlorientierten Immobilienwesens, dieses Problem auszuräumen.

Schließlich konnten alle Häuser in genossenschaftliche Bewirtschaftung überführt werden. Die Darlehen und Zuschüssen des Landes Berlin führen dazu, dass Belegungsbindungen und -rechte für die nächsten 20 Jahre vereinbart wurden und die Ziele des Milieuschutzes in mehrfacher Hinsicht umgesetzt wurden:

1. Die Möglichkeit der Ausübung von Vorkaufsrechten sorgt für weitere Abwendungsvereinbarungen. Im Jahr 2020 konnte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mehr Abwendungen als in den Vorjahren vereinbaren. Damit hat die Arbeit der DIESE eG eine positive Wirkung für viele andere Mieter*innen in der Stadt entfaltet. Die DIESE eG hat gezeigt, dass wir es ernst meinen mit dem Vorkauf.

2. Die Ausübung von Vorkaufsrechten zugunsten von Genossenschaften macht Schule. Im Jahr 2020 konnten in Berlin zugunsten von zahlreichen Genossenschaften Vorkaufsrechte ausgeübt werden. Der teilweise Ausfall von landeseigenen Gesellschaften kann dadurch kompensiert werden.

3. Die Möglichkeit, dass Genossenschaften Zuschüsse erhalten, wäre ohne die DIESE e.G. vermutlich erst viel später eingeführt worden.

Zum Beleg verweise ich auf folgende Zahlen:

In den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 wurden durch das Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg folgende Gesamtzahlen von Vorkaufsrechten ausgeübt und Abwendungen erzielt:

2017: 8 x Vorkauf, 10 x Abwendung
2018: 8 x Vorkauf, 10 x Abwendung
2019: 9 x Vorkauf, 14 x Abwendung (6 x Vorkauf zugunsten Genossenschaften)
2020: 6 x Vorkauf, 26 x Abwendung (3 x Vorkauf zugunsten Genossenschaften)

Im Rahmen von parlamentarischen Anfragen auf Bezirksebene und Landesebene, sowie gegenüber Dienstaufsicht als auch dem Landesrechnungshof wurde umfassend seitens des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg Stellung bezogen.
Dabei sind einige Befürchtungen geäußert worden, die ich an dieser Stelle noch einmal zurückweisen möchte.

1. Es wurden keine Akten manipuliert. Vielmehr wurde in einem Fall eine akteneinsichtnehmende Fraktion zu spät von den zuständigen Verwaltungsmitarbeiter*innen darüber informiert, dass nicht alle Akten aus rechtlich zulässigen Gründen gezeigt werden können. Dies wurde der Fraktion auch mitgeteilt, bevor die Fraktion damit begann diesen Umstand öffentlich zu skandalisieren. Dennoch wurde die falsche These der Aktenmanipulation in die Welt gesetzt.

2. Das Vorkaufsrecht an sich wurde durch die Ausübung zugunsten der DIESE e.G. nicht beschädigt, sondern im Gegenteil. Wie bereits ausgeführt, hatten die Vorkaufsrechte zugunsten der DIESE e.G. den Effekt das der Milieuschutz weiterhin umgesetzt werden konnte. Statt das Vorkaufsrecht zu beschädigen hatte die DIESE e.G. impulsgebenden Charakter.

3. Ein finanzielles Risiko von 27.000.000€ für das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bestand nicht, da erstens eine Rückabwicklung der Vorkaufsrechtsausübungen möglich war und zweitens die Immobilien unter Verkehrswert erworben wurden und somit einen Gegenwert hatten, der notfalls einer gesamtschuldnerischen Haftung ausgleichend gegenübergestanden hätte.

4. Ein haushaltswidriges Handeln bestand nicht, da die Zuschüsse des Landes Berlin 1. nur einen Finanzierungsbaustein darstellten und 2. die Zuschüsse, wie von der Finanzverwaltung bestätigt, für alle Vorkaufsrechtsfälle hätten eingesetzt werden können. Dass dies nicht geschah konnte vom Bezirksamt nicht vorhergesehen werden.
Es wurde der Versuch unternommen, den Prozess der Umsetzung der Finanzierung der DIESE e.G. zu schädigen und zu stoppen. Dafür waren den handelnden Akteuren alle Mittel recht – bis hin zum Eingriff in meine Privatsphäre sowie der Durchführung potenziell strafbarer Handlungen.

Der Versuch, mein Handeln zu kriminalisieren, ist bis heute nicht abgeschlossen. Daher hat mir mein erfahrener Anwalt geraten, im Übrigen hier und heute die Aussage zu verweigern.

Dieses Recht setzt nicht voraus, dass ich tatsächlich Straftaten begangen habe, wie Sie wissen. Voraussetzung dieses Rechts ist, dass ich mir im Falle einer Aussage die Gefahr zuziehen würde, einer Untersuchung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren ausgesetzt zu werden, unabhängig davon, ob das Ergebnis eines solchen Verfahrens die Feststellung einer Schuld oder einer Unschuld erbringen wird. Das erlebe ich jetzt seit 1,5 Jahren.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der CDU-Abgeordneten in diesem Untersuchungsausschuss, im Folgenden „Rechtsanwältin“ genannt, hat mit gewissem Nachdruck in meinem Agieren im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand dieses Ausschusses Straftaten zu entdecken geglaubt. Sie hat in diesem Kontext Strafanzeigen, Beschwerden und nochmals Beschwerde gegen mehrere Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft Berlin in dem Verfahren 243 Js 431/19 gegen mich eingelegt.

Sie hat ersichtlich ein erhebliches Verfolgungsinteresse entwickelt. Die Vorwürfe gingen von der “Haushaltsuntreue” über eine behauptete Beteiligung an behaupteten Insolvenzdelikten und behaupteten Bestechungstatbeständen sowie Urkundenfälschung etc.

Das Mittel der Strafanzeige sitzt der „Rechtsanwältin“ locker in der Hand. Sie führt für einen “Investor” in gänzlich anderer Sache einen Zivilrechtsstreit gegen mich. Auch dort hat sie nach eigenen Angaben sogar gegen einen Zeugen Strafanzeige erstattet, der von ihrem Mandanten präsentiert wurde, um einen gänzlich erlogenen Sachverhalt zu „beweisen“, der sich dann aber nicht entsprechend ihrer Vorstellung äußerte. Parallel zu ihren Strafanzeigen zur DIESE e.G. hat die „Rechtsanwältin“ auch eine Strafanzeige wegen der angeblichen „Haushaltsuntreue“ bei der Finanzierung der Aufstellung von Findlingen in der Bergmannstraße erstattet.

Nach Angaben meines Strafverteidigers soll die „Rechtsanwältin“ gegen die letzte mir bekannte Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt haben. Am 12. 3. 2021 ist ihm von der Staatsanwaltschaft – auf seine Anforderung – diese 37-seitige Beschwerdeschrift vom 2.12.2020 und die 8-seitige Beschwerdezurückweisung der Generalstaatsanwaltschaft zugeleitet worden. Er wird dem Ausschuss beide Schriftstücke im Anschluss an die Vernehmung zur Verfügung stellen.

In der Beschwerdeschrift behauptet die wissenschaftliche Mitarbeiterin der CDU:
– einen Pflichtwidrigkeitsvorsatz für eine Untreue durch die Ausübung der Vorkaufsrechte,
– erneute Untreue im Zeitraum Dezember 2019/Januar 2020,
– Insolvenzverschleppung durch Landwehr und Schmidt.

Es ist in jedem Falle damit zu rechnen, dass die „Rechtsanwältin“ weitere
Strafverfolgungsinteressen gegen mich entwickelt und den politischen Konflikt, in dem sie mit uns steht, auf der Grundlage des Versuchs meiner Kriminalisierung weiter austragen will.

Erklärungen des Generalssekretärs der CDU und des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus vom 30. 11. 2020, dem Tage des Bekanntwerdens der – zweiten – Einstellung der von der „Rechtsanwältin“ gegen mich angezettelten Strafverfolgung, gegenüber dem Tagesspiegel ist zu entnehmen, dass es der CDU darum geht, mich mit Hilfe dieses Ausschusses weiter zu kriminalisieren. Wörtlich wird der Mann dort wie folgt zitiert: Stefan Evers, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion Berlin, sagte am Sonntagabend: „Hier geht es um Millionen von Steuergeldern für zweifelhafte Immobiliengeschäfte, die Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen und Prüfungen des Rechnungshofes sind.“ Es gehe dabei nicht nur um Baustadtrat Schmidt, sondern auch um die „Mitverantwortung von Teilen des Senats“.

Mein Strafverteidiger sagt mir, dass eine Einstellungsentscheidung gem. § 170 Abs. 2 StPO nicht “rechtskraftfähig” ist, mithin eine Wiederaufnahme von Ermittlungen nicht hindert. Ferner teilt er mir mit, dass die Frist für das Anbringen einer Klageerzwingung nicht abgelaufen sein dürfte. Zudem zeigt die schnelle Bereitschaft zu weiteren Strafanzeigen, wie sie auf S. 35 der Beschwerdeschrift der „Rechtsanwältin“ zu erkennen ist, dass sie neue Gründe in der Causa suchen wird, um mich anzuzeigen. Daraus folgend droht mir wegen des Untersuchungsgegenstandes dieses Ausschusses weiterhin ein mögliches Strafverfahren mit entsprechenden Untersuchungen.

Neben diesen Strafanzeigen gab es wegen angeblicher Urkundsdelikte (behaupteten Aktenmanipulationen) weitere Strafanzeigen gegen mich unter anderem von Mitgliedern der CDU und der FDP (https://www.tagesspiegel.de/berlin/strafanzeige-gegen-stadtrat-schmidt/25462394.html).

Mein gutes Recht ist es, insoweit umfassend die Auskunft zu verweigern.
Wer Strafanzeigen säht, wird die Geltendmachung der Rechte aus § 55 StPO ernten. Wer politische Konflikte auf Grundlage der Kriminalisierung des politischen Gegners austrägt, muss sich nicht wundern, dass der „Beschuldigte“ sich seiner Rechte berühmt. Ich berufe mich daher auf mein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 24 Abs.2 des Berliner Untersuchungsausschussgesetzes, das in diesem konkreten Zusammenhang vor diesem Ausschuss ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht darstellt.

Ich habe gegenüber Staatsanwaltschaft und Landesrechnungshof persönlich umfassend zu den Vorwürfen Stellung genommen und über das Bezirksamt auch gegenüber der Bezirksaufsicht und der Senatsverwaltung für Finanzen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit
Florian Schmidt

 

Die Pressemitteilung des Rechtsbeistands von Florian Schmid kann hier eingesehen werden.