Der Rechnungshof hat sich in seinem Jahresbericht 2020 mit der Ausübung von Vorkaufsrechten zugunsten der DIESE eG beschäftigt, der folgende vier Kritikpunkte enthält, auf die wir hiermit eingehen und die wir politisch bewerten wollen.

Allgemeine Stellungnahme

Die konsequente Anwendung des Vorkaufsrechts ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik und einem Mietmarkt, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Spekulation mit Wohnraum. Unsere grüne Mieten- und Wohnungspolitik für Rekommunalisierung und Ankauf zeigt: Wir meinen es ernst. Dabei scheuen wir auch nicht, uns mit nur an Rendite orientierten Investor*innen anzulegen. Friedrichshain-Kreuzberg war der erste Bezirk, der unter Bezirksstadtrat Hans Panhoff im Jahr 2015 erfolgreich das Vorkaufsrecht bei einem privaten Verkäufer nutzte. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag Ende 2016 wurde die Ausübung des bundesrechtlich verankerten Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten zu einem Standardverfahren und in vielen Bezirken eingesetzt. Alleine bis Ende 2019 wurden in Berlin etwa 1.800 Wohnungen der Spekulation entzogen und für über 3.800 Wohnungen Abwendungsvereinbarungen erzielt, welche die Mieter*innen für die kommenden Jahre langfristig vor Verdrängung schützen können. Alleine in Friedrichshain-Kreuzberg wurden 661 Wohnungen durch Vorkauf und 777 durch Abwendungen gesichert. Wohnen ist keine Ware, wir überlassen den Berliner Wohnungsmarkt nicht Hedgefonds, Spekulant*innen und Briefkastenfirmen, sondern kämpfen an der Seite der Mieter*innen für eine soziale und solidarische Stadt.

Uns war und ist klar, dass das Vorkaufsrecht nach den geltenden Gesetzen und Maßgaben ausgeübt werden muss. Das bedeutet eine kurze Frist von zwei Monaten, in der die Mieter*innen informiert, Verkehrswertgutachten gemacht, Drittkäufer gefunden oder Abwendungsvereinbarungen verhandelt und erzielt werden sollen. Diese Frist und die vielen Aufgaben stellen die Bezirke nicht zuletzt wegen der Personalsituation vor große Herausforderungen.

Das Bezirksamt hat zur Überprüfung der im Raum stehenden Vorwürfe sämtliche angeforderten Akten zum Vorkaufsrecht und zum Komplex Diese eG zugänglich gemacht. Es ist in unserem ureigenen Interesse (im Interesse der Mieter*innen sowieso) das Vorkaufsrecht rechtssicher und sachgemäß auszuüben. Deshalb danken wir dem Rechnungshof für die kritische Stellungnahme zu mangelhaften Verfahren in der bisherigen Verwaltungspraxis. Diese berechtigten Kritikpunkte werden zukünftig behoben.

Die inhaltliche Kritik des Landesrechnungshofes an der Ausübung des Vorkaufsrechtes zu Gunsten der DIESE eG ist aus unserer Sicht jedoch unzutreffend. Zum damaligen Zeitpunkt waren keine landeseigenen Wohnungsunternehmen mehr bereit, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen. Deshalb war und ist es richtig, wenn sich Mieter*innen mit Genossenschaften zusammentun oder gar – wie in diesem Fall – eine neue Genossenschaft gründen. Denn es geht um den dauerhaften Schutz und Erhalt des Zuhauses der Bewohner*innen. Dies war deren ausdrückliches Ziel, das wir aus Überzeugung unterstützen und dem wir uns verpflichtet fühlen.

Hätte der Bezirk nicht gehandelt und das Vorkaufsrecht nicht gezogen, wären heute viel mehr Hausgemeinschaften bedroht. Die Verdrängung von Mieter*innen und die Umwandlung in Eigentumswohnungen wären nur eine Frage der Zeit gewesen. In einigen Kiezen sind bereits heute über 30 Prozent des Wohnungsbestandes in Eigentumswohnungen umgewandelt. Ein Geschäftsmodell, das nicht nur für um ein Drittel höhere Mieten sorgt, immer mehr Menschen sind auch von Eigenbedarfskündigungen betroffen.

Wir halten den Weg, Häuser anzukaufen und so Hausgemeinschaften abzusichern durch das Vorkaufsrecht oder eine Abwendungsvereinbarung, weiterhin für dringend geboten. Wer will, dass Berlin eine gemischte Stadt bleibt, in der Arm und Reich in allen Bezirken leben, der muss gerade in der Innenstadt das Vorkaufsrecht nutzen. Auch ist es notwendig, weil eben der Bestand an kommunalem und gemeinwohlorientiertem Wohnraum zu gering ist, um die Menschen, die aus ihren Kiezen verdrängt werden, wieder in Friedrichshain-Kreuzberg mit Wohnraum zu versorgen. Zudem ist dieser Bezirk sehr dicht besiedelt, die Neubaupotentiale sind begrenzt. Wir kämpfen für und mit unseren Bewohner*innen gegen den Ausverkauf der Stadt!

Zu den Kritikpunkten des Landesrechnungshofes im Einzelnen

Vorwurf: Der Bezirk hätte das Vorkaufsrecht ausgeübt, obwohl er keinen Nachweis für die finanzielle Leistungsfähigkeit der DIESE eG hatte.

Der Landesrechnungshof stützt sich auf die Annahme, dass der Bezirk zwar zu Gunsten eines Dritten das Vorkaufsrecht ausüben darf, jedoch sei der Bezirk dabei verpflichtet gewesen, sich die finanzielle Leistungsfähigkeit durch dementsprechende Nachweise (beispielsweise Bürgschaften und Bankzusagen) umfassend vorlegen zu lassen. Rechtlich erforderlich hingegen war, dass der Drittkäufer, also die DIESE eG, in der Lage ist, den Verwendungszweck, also die Sicherstellung der Ziele des Milieuschutzes (Schutz der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung) zu gewährleisten. Das wurde positiv geprüft und deshalb ist der Bezirk hier seiner (rechtlichen) Verpflichtung nachgekommen.

Selbstverständlich hat der Bezirk in allen Fällen eine Finanzierungsprüfung vorgenommen. Dabei lagen für drei von sechs Häusern Zwischenfinanzierungszusagen der GLS Bank vor, die schriftliche Ankündigung der Finanzverwaltung, die Zuschussförderung in die Wege zu leiten, sowie die politische Absichtserklärung des sog. Koalitionsausschusses für eine solche Förderung in Form eines Protokolls.

Aber: Die Bedingung, dass alle Bonitätsnachweise vorliegen müssen, ist weder erforderlich noch im Zeitraum für die Ausübung des Vorkaufsrechts leistbar. Das ist aus der Rechtsprechung zu entnehmen, auf die das Bezirksamt in seiner Stellungnahme auch ausführlich hinweist, die vom Rechnungshof aber nur unvollständig wiedergegeben und einseitig ausgelegt wird (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 20. April 2011 – 15 N 10.1320).

Bereits Ende Mai 2019 hat Rot-Rot-Grün vereinbart, dass zukünftig nicht nur landeseigene Wohnungsunternehmen einen Zuschuss vom Land Berlin erhalten sollen, sondern auch Genossenschaften, wenn sie das Vorkaufsrecht wahrnehmen. Daraufhin sollte der Finanzsenat eine Förderrichtlinie als gesetzliche Grundlage erarbeiten. Nicht nur gab es diese politische Zusage, ebenso wurde dem Bezirk signalisiert, dass die Förderung auch für Ankäufe gewährt werden kann, die vor dem Beschluss im Hauptausschuss erfolgten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde zweimal das Vorkaufsrecht zugunsten der DIESE eG ausgeübt, nachdem sich der Erstkäufer verweigert hatte, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen.

Insgesamt hat die DIESE eG drei von sechs Häusern komplett alleine finanziert.
Ein siebtes Haus, welches ursprünglich auch durch die Diese eG übernommen werden sollte, wurde letztendlich erfolgreich an eine andere Genossenschaft (Selbstbau eG) weitergegeben.

Der Landesrechnungshof führt in seinem Bericht mehrfach falsch aus, dass die DIESE eG bis heute (Juli 2020) nur eine Zwischenfinanzierung für die ersten drei erworbenen Häuser durch die GLS-Bank erhalten hätte, folglich also die Finanzierung gar nicht final gesichert sei. Richtig ist aber: die GLS-Bank hat bereits die Finanzierung für alle drei Häuser geleistet, die drei Häuser sind bezahlt. Die Zwischenfinanzierung war nur deshalb notwendig, weil die in Aussicht gestellten Fördergelder viel später durch eine Förderrichtlinie ermöglicht, von der IBB bewilligt und dann ausgezahlt wurden. Dieser Prozess hat insgesamt sechs Monate gedauert, obwohl dieser in zwei Monaten eigentlich hätte bewältigt werden können.

Diese Verzögerungen waren nicht absehbar – weder für die Mieter*innen und die Genossenschaft, noch für das Bezirksamt. Aus diesen Verzögerungen wiederum resultierten die im weiteren Verlauf entstandenen Probleme, die jedoch gelöst werden konnten, sodass das Vorkaufsrecht erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Der Rechnungshof wirft dem Bezirksamt normwidriges Verhalten vor, weil nicht nur eine Vorkaufsrechtausübung, sondern parallel Verhandlungen zur Erzielung von Abwendungsvereinbarungen geführt wurden. Dass das Bezirksamt jegliche zur Verfügung stehenden Möglichkeiten prüft ist nicht normwidrig, sondern zeigt viel mehr, wie ernsthaft der Erhalt der Mietwohnungen im Milieuschutzgebiet verfolgt wurde. Zudem vertritt der Senat doch sogar den Standpunkt, dass Abwendungen das politische Ziel beim Vorkaufsrecht sind.

Vorwurf: Der Bezirk hätte das Vorkaufsrecht nicht ausüben dürfen, weil die Finanzierungsplanung der DIESE eG mit einer Zuschussregelung des Landes plante, die zum Zeitpunkt der Ausübung noch nicht final beschlossen war.

Zunächst war geplant, dass das Land sich durch einen Zuschuss von 10 Prozent zum Kaufpreis auch bei Genossenschaften, im Gegenzug für 25 Prozent Belegungsrechte, beteiligt. Dies wurde so auch immer öffentlich an alle Beteiligten kommuniziert. Ein Risiko für Haushaltsüberschreitungen, falls die Zuschüsse nicht kommen sollten, bestand nicht, da gleichzeitig ein Erwerbsanspruch für die Immobilien gegenüberstand. Auch die Senatsverwaltung für Finanzen bestätigte, dass nach der AG LHO eine Zuwendung nicht nur im Vorfeld, sondern auch dann gewährt werden kann, „wenn die Maßnahme schon begonnen hat“.

Insgesamt lag also ein realistisches Szenario mit planbarer Finanzierung vor. Als dies aufgrund der ausbleibenden Zuschüsse nicht erfüllt werden konnte, wurde für einige Häuser unverzüglich ein anderes Finanzierungsmodell erarbeitet und erfolgreich umgesetzt. Die dadurch entstandene Verzögerung zur Absicherung eines verlässlichen Finanzierungsmodells ist jedoch kein Rechtsbruch.

Vorwurf: Das Bezirksamt hat Vorkaufsrechte ausgeübt ohne zu wissen, dass ein finanzielles Risiko bei Aufhebung des Vorkaufsbescheids bestehen kann.

Diese Annahme ist falsch. Es ist belegbar, dass das Bezirksamt im Vorfeld Fragen über den möglichen Widerruf der Ausübung des Vorkaufsrechts juristisch geprüft hat. Dass ein Widerruf möglich ist, hat auch der Senat in der Antwort auf die kleine Anfrage (Drucksache 18/21598 des Abgeordnetenhauses) vertreten.

Spekulationen, dass Risiken in Höhe von 27 Millionen eingegangen worden sind, sind unbegründet. So steht im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts immer der Eigentumserwerb den anfallenden Kosten gegenüber. Hier sei betont, dass die Kosten für sechs von sieben Häusern unter dem ermittelten Verkehrswert lagen. Risiken für den Bezirk bestanden daher allenfalls in Form von Kosten im Zusammenhang der rechtlichen Ausübung des Vorkaufsrechts, also dem politischen verfolgten Ziel des Milieuschutzes. Und im „schlimmsten Falle“ hätte der Bezirk Immobilien erworben und durch Weiterverkauf die Kosten wieder ausgeglichen.

Tatsächlich sind im Zusammenhang mit der Ausübung des Vorkaufsrechts Kosten entstanden, Bisher sind es 160.000 Euro und werden maximal 250.000 Euro betragen. Das ist natürlich nicht gut für den Bezirk und wird aus dem Etat der Stadtentwicklungsverwaltung getragen und so kompensiert. Wir bedauern das sehr, jedoch muss hier berücksichtigt werden, dass diese Kosten vor allem aus den Verzögerungen resultieren, wie z.B. höheren Anwalts- und Notarkosten.

Zudem muss betont werden, dass es sich damals bei dem Zuschuss- und Darlehensmodell für Genossenschaften im Rahmen des Vorkaufsrechts um ein neues, zu entwickelndes und politisch zu beschließendes Instrument handelte, das jetzt in seinem Verfahren klar und daher planbar ist. Dass neue Wege auch Fehler mit sich bringen können, ist leider nicht ganz auszuschließen.

Vorwurf: Fehlende Beteiligungen

Ja, es wurden auch Fehler gemacht, auf die der Rechnungshof zu Recht hingewiesen hat. Diese lagen in der fehlenden Einholung der Einwilligung des gesamten Bezirksamtes zu jedem einzelnen Fall (wobei dies auch andere Bezirke so handhabten), der Beauftragten für den Haushalt und des Rechtsamtes. Zwar waren nicht zuletzt durch die öffentliche Debatte allen Beteiligten die Fälle bekannt, dies ersetzt aber natürlich nicht die formale Beteiligung. Auch dass statt des Rechtsamtes ein bereits mehrfach für das Land Berlin und den Bezirk außergerichtlich tätiger Fachanwalt betraut wurde, ersetzt nicht die Beteiligung des Rechtsamtes. Diese Formfehler hätten nicht passieren dürfen und waren der bis dahin bestehenden Verwaltungspraxis geschuldet. Unser Stadtrat Florian Schmidt hat zugesichert, dass diese Verfahrensschritte zukünftig nach Maßgabe des Rechnungshofes befolgt werden. Diese Fehler stellen jedoch weder die materielle Ausübung des Vorkaufsrechtes in Frage, noch sind sie Beleg für Untreue, Korruption oder sämtliche sonst durch die politischen Gegner des Vorkaufsrechts erhobenen Vorwürfe.

Anfang Oktober hat das Bezirksamt erklärt, die Empfehlungen des Rechnungshofes umzusetzen.
Die entsprechenden Verfahren wurden bereits umgestellt. (https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.1000035.php)