Wir unterstützen die Unterschriftensammlung der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ für einen Volksentscheid im September 2021. Dabei orientieren wir uns bei der Neuausrichtung des Berliner Wohnungsmarktes am Wiener Vorbild.
Wir sehen die Vergesellschaftung von Wohnraum als Chance die Wohnungs- und Bodenpolitik grundlegend umzukrempeln hin zu einem sozial- und gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt. Durch ein entsprechendes Gesetz sollen die Wohnungsbestände der renditeorientierten börsennotierten Wohnungsunternehmen wie Deutsche Wohnen, Vonovia, Akelius und Co, denen schon jetzt ca. 260.000 Wohnungen in Berlin gehören, sozialisiert sprich dauerhaft in gemeinwohlorientierte Hand übergeführt werden. Es soll dabei eine demokratische und transparente Bewirtschaftung verankert werden, die dauerhaft vor Privatisierung schützt.
Vergesellschaftung im Grundgesetz
Die Vergesellschaftung von „Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmittel“ ist nach Artikel 15 des Grundgesetzes möglich. Und sie ist nötig, um den Mietenwahnsinn und die Spekulation mit Wohnraum zu stoppen. Wenn die Freiheit von Märkten und das Agieren von Unternehmen, die eine gewisse Marktmacht darstellen, es einem Staat fast unmöglich machen, das Grundrecht auf Wohnen zu gewährleisten dann muss der Staat eingreifen und die Sozialisierung von Wohnraum . Wer den Satz „Eigentum verpflichtet“ missachtet, muss mit Konsequenzen rechnen.
Die Frage der Entschädigung
Die Art und Höhe der Entschädigung der Wohnungskonzerne, welche im Falle einer Sozialisierung geleistet werden müsste, spielt in der öffentlichen Debatte eine zentrale Rolle. Die Gegner*innen des Volksbegehrens verweisen pauschal auf den Verkehrswert , welcher angeblich bis zu 36 Milliarden Euro betrage. Die Volksbegehren-Initiative rechnet jedoch mit ca. 8 Mrd. Euro. Eine eindeutige rechtliche Vorgabe findet sich dazu aber weder im Grundgesetz, noch an anderer Stelle, auch Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema fehlen, denn in der Geschichte der BRD hat es bisher noch keine einzige Sozialisierung nach Art, 15 GG gegeben. Wissenschaftler*innen gehen aber von einem erheblichen Spielraum des Gesetzgebers„bei der konkreten Ausgestaltung der Entschädigung sowohl hinsichtlich der Art als auch der Höhe“ aus. Weil Enteignung nach Art. 14 GG und Sozialisierung nach Art 15 GG eine völlige andere Funktion erfülle, könne für beide nach Meinung vieler Experten auch nicht das gleiche für die Entschädigung gelten. Die Regeln für die Entschädigung bei Enteignungen gelten für eine Sozialisierung vielmehr entsprechend, weswegen die verschiedenen Funktionen zu berücksichtigen sind. Der Gesetzgeber bestimmt dabei Art und Höhe der Entschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten. . Eine Entschädigung kann demnach auch unter dem Verkehrswert liegen, zudem wäre es auch möglich nicht auf einen Schlag zu entschädigen, sondern etwa durch eine auf viele Jahre gestreckte Zahlung auf Raten. So könnte der Landeshaushalt weniger belastet und die Entschädigung z.B. auch aus den Mieten der sozialisierten Wohnungen bestritten werden. So jedenfalls argumentierten die beiden Jurist*innen Prof. Dr. Fabian Thiel und Dr. Franziska Drohsel kürzlich in einem öffentlichen Thesenpapier. . Auch hier gilt der politische Wille des zukünftigen Abgeordnetenhauses sowie Senats vor allem wird eine zentrale Rollen spielen, inwiefern der Spielraum der Gesetzgeber*innen für eine „Sozialisierungsentschädigung“ genutzt wird.
Der Weg dahin…
In der ersten Stufe hat die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ rund 70.000 gültige Unterschriften (notwendig waren 20.000 Unterschriften) gesammelt und an den Berliner Senat eingereicht, damit dieser ein Vergesellschaftungsgesetz erlässt. Der für die Rechtskonformität zuständige Innensenator hat lange Zeit nicht darauf reagiert.
Innerhalb der Rot-Rot-Grünen Koalition haben wir Grüne – und die Linke – für einen Austausch und gemeinsames Vorgehen mit der Initiative stark gemacht. Die Berliner SPD war jedoch nicht bereit über eine gemeinsame Vorgehensweise zu diskutieren und hat jedwede Enteignungs- bzw. Vergesellschaftungsdebatte geblockt. Die SPD-Spitzenkandidatin ist vielmehr durch absurde Vergleiche wie „damit werden keine neuen Wohnungen geschafft“ aufgefallen.
Nächste Hürde
Darauf beschloss die Initiative in die nächste Stufe überzugehen, die die Sammlung von rund 175.000 gültigen Unterschriften innerhalb von vier Monaten erfordert, damit das Volksbegehren zustande kommt. Die Unterschriftensammlung hat am 26. Februar 2021 begonnen und wird bis zum 25. Juni 2021 dauern. Die nötige Zahl wird sicherlich erreicht. Dann findet am 26. September 2021 zusammen mit den Bundestags-, Abgeordnetenhaus- und Bezirksparlamentenwahlen ein Volksentscheid statt, bei dem es sicher um jede Stimme zählen wird.
Wir unterstützen die Initiative nicht nur ideell, sondern auch konkret bei der Unterschriftensammlung. An gesonderten Infoständen, aber, sobald es die Pandemie zulässt, auch in unseren Geschäftsstellen und Büros sammeln wir tatkräftig Unterschriften für das Volksbegehren. Jede und jeder ist willkommen aktiv mitzumachen.
Mehr Infos: buero.schmidberger@gruene-fraktion.berlin oder stadt@gruene-xhain.de
Katrin Schmidberger und Theo Ioannidis
Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.