Im Februar 2019 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg auf Grüne Initiative hin, dass eine Straße in Kreuzberg nach der afroamerikanischen Aktivistin und Dichterin Audre Lorde benannt werden soll.
Audre Lorde hatte einen zentralen Einfluss auf die Entstehung der jüngeren Schwarzen Bewegung, besonders einer Schwarzen Frauenbewegung, in Deutschland. Ihre leidenschaftlichen und brillanten Texte und Vorträge inspirieren bis heute feministische, queere, lesbische, Schwarze und Women of Color-Bewegungen weltweit. Audre Lorde verbrachte während ihrer Berliner Jahre 1984 -1992 viel Zeit in Kreuzberg. Sie ermutigte afro-deutsche Frauen zu schreiben und durch Veröffentlichung ihrer Werke sichtbar zu werden. So entstand 1992 das Buch „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“, herausgegeben von May Ayim (+ 1996), Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz im Orlanda Frauenverlag. Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz sind neben der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) Unterstützerinnen des BVV-Antrages.
Mit dem Antrag haben wir ein Anliegen vieler Weggefährt*innen aufgegriffen. Dabei legten wir uns allerdings nicht auf eine Straße fest, sondern schlugen ein offenes Beteiligungsverfahren vor. In diesem sollte die nach Audre Lorde zu benennende Straße gemeinsam mit den Weggefährt*innen Audre Lordes, den verschiedenen Communities und unter möglichst breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft ausgewählt werden. Dabei sollten Möglichkeiten und Gelegenheiten geboten werden, sich mit dem Leben und dem Werk Audre Lordes auseinander zu setzten.
Eine Straße für Audre Lorde
Die Auftaktveranstaltung fand am 18. Februar 2020 im FHXB-Museum statt und stieß auf große Resonanz. Gezeigt wurde der Film „Audre Lorde – Die Berliner Jahre 1984-1992“. Es folgte eine Diskussion mit der Filmemacherin Dagmar Schultz, der Autorin und Künstlerin Ika Hügel-Marschall (beide Weggefährtinnen Audre Lordes) und anderen am Film Beteiligten. Der Film besteht aus privaten Videofrequenzen, die während der Berlinaufenthalte Audre Lordes entstanden sind. Er bot somit einen spannenden Einblick in Audre Lordes Leben, abseits ihres öffentlichen Auftretens.
Bei der 2. Veranstaltung am 5. März 2020 lauschten wir einem Vortrag der Literaturwissenschaftlerin Dr. Marion Kraft zu Audre Lordes literarischem Werk und dazu, wie sie andere Schwarze Autorinnen wie bspw. May Ayim, aber auch Marion Kraft selbst inspiriert hat, zu schreiben. 2009 wurde das Kreuzberger Groebenufer nach May Ayim benannt. Auch Ika Hügel-Marshall, die aus ihrem Buch „Daheim unterwegs“ las, wurde von Audre Lorde zum Schreiben ermutigt. Abschließend trug die Kreativschaffende Jeanne Wagner zwei Gedichte von Audre Lorde vor.
Leider konnten weitere Veranstaltungen – die Podiumsdiskussion am 17. März 2020 u.a. mit Bafta Sarbo von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland sowie die Abschlussveranstaltung zur Entscheidung über die konkrete Straße am 2.April 2020 im Ballhaus Naunynstraße – aufgrund der Corona-Pandemie zunächst nicht stattfinden. Am 02.05.2021 wurden diese in einer Onlineveranstaltung nachgeholt, an dessen Ende die Onlineabstimmung zur Straßenumbenennung stand. Gleichzeitig gab es für Anwohner*innen die Möglichkeit via Postkarte abzustimmen. Zur Auswahl standen: Die Adalbertstraße, die Wrangelstraße (Abschnitt Skalitzer Straße bis Mariannenplatz mit Bushaltestelle), die Admiralstraße und der nördliche Teil der Manteuffelstraße.
Beteiligungsverfahren abgeschlossen
Während in der schriftlichen Abstimmung der nördliche Teil der Manteuffelstraße vorne lag, war es in der Veranstaltung die Admiralstraße. Zusammengezählt lagen die beiden Vorschläge dann fast gleichauf. Bei der Präsentation der Ergebnisse im Ausschuss für Kultur und Bildung, in dem die entscheidende Beschlussempfehlung für die BVV diskutiert wurde, gab es starke Stimmen aus der Anwohner*innenschaft der beiden favorisierten Straßen. Während Anwohner*innen der Amiralstraße gegen eine Umbenennung ihrer Straße votierten, wurde von Anwohner*innen des nördlichen Teils der Manteuffelstraße, seit 1852 nach dem Demokratiegegner und preußischen Ministerpräsidenten Otto Theodor Freiherr von Manteuffel benannt, die Umbenennung in Audre-Lorde-Straße ausdrücklich gewünscht.
Schließlich wurde in der Juni-Sitzung der BVV der parlamentarische Prozess abgeschlossen: Der nördliche Teil der Manteuffelstraße wird in Audre-Lorde-Straße umbenannt!
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei Dr. Marion Kraft, Ika Hügel-Marshall, Dagmar Schultz, Tahir Della und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) sowie dem Friedrichshain-Kreuzberg-Museum (FHXB) für die gemeinsame Gestaltung dieses Prozesses. Wir freuen uns nun auf die Umsetzung der Umbenennung durch das Bezirksamt und die hoffentlich baldige feierliche Einweihung der Audre-Lorde-Straße in Kreuzberg.
Annika Gerold, Bezirksverordnete und Platz 3 unserer BVV-Kandidat*innenliste
Werner Heck, Bezirksverordneter und Platz 4 unserer BVV-Kandidat*innenliste
Sarah Jermutus, Bezirksverordnete und Platz 7 unserer BVV-Kandidat*innenliste
Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.